Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)
Kilometer und die haben uns wieder«, sage ich. Silas funkelt mich an, doch es liegt mir fern, ihm in den Rücken zu fallen. Wir müssen nur den richtigen Augenblick abwarten und flüchten, wenn sie es am wenigsten erwarten. Sonst wüssten sie auch gleich, dass wir Crab umgebracht haben. »Wir haben einen Weg nach draußen gefunden. Ein enger Tunnel hinten unter der Mauer durch, ungefähr fünfzehn Meter von einer Stahltür entfernt. Sobald uns hier irgendwas um die Ohren fliegt, hauen wir durch den ab und warten auf der anderen Seite aufeinander. Da gibt’s nur wenige Verstecke, die infrage kommen«, sage ich.
Song geht zur Tür, nimmt die restlichen Gewänder vom Haken und reicht sie uns. Die Ärmel sind zu lang und verschlucken unsere Hände.
Silas schlägt mit der Faust gegen die Wand. Dorian zieht sich die Kapuze über den Kopf, die seine ganze Stirn bis zu den Augen bedeckt. »Rot ist nich meine Farbe«, sagt Maude. Sie versucht, sich wieder herauszuschälen, doch Bruce hält sie zurück.
»Nur für eine Stunde, Maddie.«
Irgendwo jenseits der Hütte ertönt ein schrilles Pfeifen.
»Die Verpaarung«, sage ich.
Bevor wir in die Orangerie geführt werden, wo die Verpaarungszeremonie ablaufen soll, stecken sie uns in einen mit schmalen Bänken gesäumten Warteraum. Ich sitze zwischen Silas und Dorian. Abgesehen von uns Hain-Leuten warten noch ungefähr zehn andere. Abel sitzt mir gegenüber. Er lächelt mir zu und ich lächle zurück. Wie ich es immer getan habe, auch wenn wir noch so tief in der Patsche saßen.
Ich mustere die Gesichter der anderen Jungs. Keiner wirkt besonders bedrohlich. Mit denen würde ich durch die Bank fertigwerden.
Eine Tür geht auf und ein weiterer Kandidat wird in den Raum gestoßen. »Quinn!« Ich eile ihm entgegen. »Wir haben uns Sorgen gemacht.«
»Ich hab gerade einen dreistündigen Test und die erniedrigendste Untersuchung aller Zeiten hinter mich gebracht«, sagt Quinn.
»Wo sind Bea und Jazz?«
Er rückt näher heran. Früher wäre ich wahrscheinlich sofort zurückgewichen, doch mit Flirten hat das jetzt nichts mehr zu tun. »Sie leben«, sagt er und plötzlich surrt Hoffnung durch meinen Körper. Wenn Bea und Jazz noch am Leben sind, dann werden wir jetzt ja wohl auch die Zähne zusammenbeißen können. »Bea war mit Oscar Knavery zusammen. Sie planen eine neue Rebellion in der Kuppel. Diesmal haben sie meinen Vater aufihrer Seite und meinen, dass sie die Armee unter Kontrolle bringen können. Aber dazu brauchen wir euch.«
»Cain Knaverys Sohn?«, frage ich. Er nickt. Das ist nicht leicht zu verdauen, ich habe hundert Fragen, doch mir bleibt keine Zeit – die Glocke ertönt und aus der gegenüberliegenden Ecke erscheint Maks in einem hautengen roten Hemd.
»Schon aufgeregt?«, fragt er und reibt sich die Hände. Die Geste gefällt mir nicht, ebenso wenig wie sein lüsterner Gesichtsausdruck. Nach dem, was ich auf der Treppe beobachtet habe, kann ich Jo für ihr Leben mit ihm nur bemitleiden. »Dann lasst uns mal zur Tat schreiten«, sagt er. Mein Magen verkrampft sich, als er vorausgeht und alle ihm folgen.
»Dann hat dieser Aufstand in der Kuppel also gar nichts gebracht?«, will ich von Quinn wissen.
»Na ja, er hat’s immerhin geschafft, meinen Vater und Oscar gegen das Ministerium aufzubringen. Kehrst du mit mir in die Kuppel zurück?«
»Ja«, versichere ich ihm. »Na klar komm ich mit.«
Die Orangerie ist ein gewaltiger Wintergartenanbau am Ostflügel des Hauptgebäudes. Auf drei Seiten reiht sich das glotzende Publikum aus Sequoianern, die verbleibende vierte Seite wird von einer Bühne eingenommen, die mit einem roten Banner geschmückt ist: Verpaarung schenkt uns Luft und Nahrung. Das ist Quatsch in jeder Hinsicht. Um den Sauerstoffmantel der Erde wiederherzustellen, braucht man Bäume, sonst nichts.
Unter dem Banner steht Vanya in ihrer roten Kutte, wenn auch ihre keine Kapuze, sondern einen tiefenAusschnitt hat und vorne von einer Metallsicherheitsnadel zusammengehalten wird. Maks führt uns zu ein paar freien Stühlen, steigt auf die Bühne und stellt sich neben Vanya.
Wir lassen uns nieder.
»Die Verpaarungszeremonie ist unser feierlichster Akt«, beginnt Vanya. »Durch die Verpaarungen bewahren wir die Menschheit vor dem Aussterben. Neben den Verpaarungen werden die Kandidaten auch ihre Aufgaben mitgeteilt bekommen. Sie werden Milizionäre sein, verantwortlich für die körperliche Unversehrtheit unserer Gruppe, Akademiker, verantwortlich
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