Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
»aufgeweckt« bezeichnet, ist in Wirklichkeit blanke Grausamkeit. Außerdem dürfte die Zahl ihrer abgelegten Freundeseit Schuljahresbeginn in den dreistelligen Bereich gehen. Selbst wenn es Bea überhaupt nicht gäbe, würde ich Niamh Knavery nicht mit der Kneifzange anfassen.
»Verstehe, Sir«, antworte ich. Wenn ich den Rebellen helfen will, muss ich das Spielchen wohl mitspielen – und wenn es zu den Spielregeln gehört, hier und da ein bisschen zu nicken und Zustimmung zu heucheln, dann muss ich eben in den sauren Apfel beißen und das tun. Geht nicht anders.
»Übrigens«, fügt er hinzu und steht auf, »ich weiß ja nicht, was die Terroristen dir über meinen Job erzählt haben. Aber was immer dir zu Ohren gekommen ist, behalte es für dich. Deine Mutter ist momentan etwas labil und die Zwillinge sind einfach noch sehr klein.«
»Hm, das verstehe ich nicht«, sage ich. Ich setze das Gesicht des alten Quinn auf, des Sohnes, der noch bis vor wenigen Tagen hier gewohnt hat. Und mein Vater schluckt es.
»Ach, nichts«, winkt er ab, dreht sich um und verlässt, ohne mir Gute Nacht zu wünschen, mein Zimmer.
Er hat die Tür kaum hinter sich geschlossen, da ziehe ich ein Atemgerät unter dem Bett hervor. Ich muss sofort mit dem Training beginnen, muss endlich lernen, mit weniger Sauerstoff auszukommen. Ich halte es keine Sekunde länger in diesem Haus aus. Und auch nicht in der Kuppel.
BEA
Wir sind schon seit zwei Wochen zurück in der Kuppel und treffen uns heute das erste Mal zum Mittagessen. Jetzt, wo Quinns Vater sich gegen unsere Freundschaft ausgesprochen hat, müssen wir aufpassen, dass wir uns in der Öffentlichkeit nicht unnötig zusammen zeigen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns heimlich zu treffen, im Kabuff des Hausmeisters zum Beispiel, zwischen Besen und Wischmopps, oder in der hinteren Ecke des Technikraums. Manchmal kommt Quinn auch zu mir nach Hause, aber nur abends und leider nicht allzu oft.
Heute haben wir beide zur selben Zeit Mittagspause und nutzen die Gelegenheit, um uns in der Kantine zu sehen – im Schutz des Geplappers und Geschirrklapperns der jüngeren Schüler, von denen wir die meisten überhaupt nicht kennen.
»Cain Knavery war gestern Abend wieder bei uns«, sagt Quinn.
»Was wollte er denn diesmal?« Obwohl ich am liebsten auf seinem Schoß sitzen würde, habe ich mich nichtmal direkt neben ihn gesetzt, sondern zwei Sitze entfernt. Wir gucken in dieselbe Richtung und unterhalten uns, ohne uns anzusehen. Obendrein trägt Quinn noch ein Basecap, das sein Gesicht halb verdeckt.
»Blut. Der Typ hat die Nase gestrichen voll davon, die ganze Küste abzusuchen, rauf und runter. Er wollte wissen, ob mir noch irgendwas eingefallen ist, das ihnen helfen könnte, das Gebiet einzugrenzen. Ich sag dir: Der war alles andere als entspannt.«
»Also hat er Angst?«
»Nee, ängstlich schien er mir nicht gerade. Eher total genervt. Und er war so besoffen, dass er mir fast das Handgelenk gebrochen hätte, als er meiner Erinnerung auf die Sprünge helfen wollte. Den ganzen Abend hat er über den größten Stuss gelacht, über den allerletzten Scheiß. Hahaha! Total gruselig, der Typ. Und am Ende war er so hackendicht, dass er aus den Socken gekippt ist und Niamh und Oscar ihn mit dem Chauffeur abholen mussten. Oscar musste ihn regelrecht aus dem Haus schleifen.« Quinn trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. Wenn ich ihn doch nur berühren könnte!
»Gott, stell dir vor, du hast so einen Kerl als Vater. Letztes Jahr war ich mit Oscar im selben Semantikkurs. Der ist an sich ganz okay. Erstaunlich eigentlich.«
» Der ja, aber seine Schwester? Puh!«
»Und? Was hast du dem werten Cain erzählt, bevor er hinüber war?«, frage ich, doch in dem Moment kommt meine Kunstlehrerin, Ms Kechroud, in die Kantine und Quinn zieht sein Basecap noch tiefer ins Gesicht.
»Dasselbe, was ich ihm schon die ganze Zeit erzählt hab: Südwärts, das ist alles, was ich weiß, Herr Präsident.«
»Mist, uns läuft die Zeit davon.«
»Wem sagst du das? Keine Ahnung, wie lange sie den Süden noch abgrasen werden, bevor ihnen dämmert, dass wir sie verarscht haben. Wenn wir unser Training doch nur irgendwie beschleunigen könnten!«
Immer wenn Quinn abends bei uns vorbeischaut, sitzt Mom im Wohnzimmer und strahlt vor Glück. Sie denkt, wir würden miteinander anbandeln, dabei trainieren wir, unseren Sauerstoffverbrauch zu reduzieren. Quinn hat zum Üben ein paar Sauerstoffflaschen aus
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