Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt
zu sagen. Nachdem sich Carrys erster Ehemann totgesoffen hatte, heiratete die Dame ein zweites Mal und schloss sich der Woman’s Christian Temperance Union an, die in Medicine Lodge, Kansas, alle Etablissements schließen ließ, die alkoholische Getränke ausschenkten – mit Ausnahme eines renitenten Drugstores. Die anderen Frauen betrachteten ihre Aktion als Erfolg – doch Carry wollte mehr. Sie besorgte sich einen Vorschlaghammer, stürmte in den Laden und zerstörte ein Whiskyfass. Der Inhaber des Drugstores gab seinen Widerstand entnervt auf und verließ kurz darauf die Stadt. Carry Nation allerdings hatte ihre Berufung gefunden.
Nachdem sie einer inneren Stimme gefolgt war, die ihr befahl, alle Saloons im benachbarten Kiowa zu zerstören, kehrte Nation nach Medicine Lodge zurück, kaufte sich ein Beil und machte sich auf eine Zerstörungstour durch den Osten der Vereinigten Staaten. Sie verwüstete Saloons, zerschlug Flaschenund sang dabei begeistert: »Zerschmettert, zerschmettert, um Jesu willen zerschmettert!« Nation eilte ein so schrecklicher Ruf voraus, dass die Barkeeper in New York City ihre Türen verriegelten, sobald sie die Stadt betrat. Und wer wollte ihnen das verdenken? Die Frau war über eins achtzig groß, wog mehr als achtzig ausgesprochen muskulöse Kilo und war verrückt.
Glücklicherweise beschränkte Nation ihre Zerstörungswut auf leblose Objekte wie Flaschen, Fässer und Registrierkassen. Ihr Terror endete, als ihr das Geld ausging und sie sich gezwungen sah, ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf kleiner Souvenir-Äxte zu verdienen. Lediglich zu Volksfesten verwüstete sie noch ab und an einen Saloon. Doch ihr Vermächtnis lebt weiter. Ihr zu Ehren platzieren viele Barkeeper in den USA noch heute ein Schild auf den Tresen: WIR BEDIENEN JEDE NATION , steht da zu lesen, AUSGENOMMEN CARRY .
Carry Nation mit Bibel und Beil
19. Der dritte Tunnel unter der EMZ in Korea
A ls »bestgesichertste Grenze der Welt, die nur Korea zu bieten hat«, ist die entmilitarisierte Zone ( EMZ ) nicht nur aus anthropologischer Sicht interessant, sie ist darüber hinaus vermutlich die einzige Kriegsfront dieser Erde mit eigenem Andenkenladen. (Im Angebot: Schlüsselanhänger, Tarnkleidung in Kindergröße und zollfreie alkoholische Getränke.) Man findet dort nicht nur ein Besucherzentrum, sondern auch ein Kino. Und aus Sorge um unvorteilhafte nordkoreanische Propagandafotos hat die entmilitarisierte Zone sogar eigene Bekleidungsvorschriften. Besucher dürfen weder Flip-Flops noch Trägerhemdchen oder enge Shorts tragen, die »zu viel Haut enthüllen«. Mir ist immer noch schleierhaft, was die Verfasser der Bekleidungsvorschriften gegen Reiterhüte aus Leder haben, aber sie lassen nicht mit sich spaßen: Wenn Sie nicht adäquat gekleidet sind, dürfen Sie nicht am Rundgang teilnehmen.
Wenn Ihre Beinkleider dem Protokoll entsprechen, müssen Sie eine Einverständniserklärung unterschreiben, derzufolge es möglich sein könnte, dass Sie erschossen werden. Anschließend verfolgen Sie eine Diavorführung, ehe Sie schließlich in die Sicherheitszone geführt werden – an die einzige Stelle in der EMZ , wo sich die nord- und südkoreanischen Truppen Auge in Auge gegenüberstehen.
Die Grenze in diesem Areal erinnert weniger an die BerlinerMauer als an eine Bordsteinkante: Sie ist fünfzehn Zentimeter hoch, quer darüber stehen niedrige, blaue UN -Gebäude, die ursprünglich als Räume für Verhandlungen gedacht waren. Seit die Büros jedoch für Besucher geöffnet sind, werden die meisten Verhandlungen hier lediglich von den Teilnehmern größerer Reisegruppen geführt, die im Rahmen einer fotografischen Dokumentation diskutieren, an welcher Stelle innerhalb des Gebäudes sie zumindest theoretisch in Nordkorea stehen. Dieser Abschnitt der EMZ ist wie der größte Teil der geführten Tour durchaus sehenswert. Den dritten Tunnel aber können Sie sich getrost schenken.
Nicht, dass er uninteressant wäre. Der dritte Tunnel – oder »dritter Tunnel der Aggression«, wie er gern poetisierend genannt wird – ist der dritte von schätzungsweise einem Dutzend Tunnel, die Kim Jong Il in Vorbereitung einer Invasion durch die Erde sprengen ließ. Als Südkorea diesen Tunnel im Jahr 1978 entdeckte, behauptete Nordkorea, es handele sich um eine Kohlemine und ließ zu diesem Zweck sogar Teile der Granitwände schwarz anstreichen. Südkorea war wenig überzeugt, verbarrikadierte den Tunnel und funktionierte ihn in
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