Breed: Roman (German Edition)
Meine Zeit läuft ab.«
»Alex …«
»Heute ist Jim Johnson zu mir ins Büro gekommen, Leslie.«
Leslie verstummt. Sie trinkt ihren Sake aus und hält Alex das Schälchen zum Nachschenken hin.
»Und?«, fragt sie mit leiser Stimme.
»Und jetzt ist er Anwalt bei Bailey, Twisden, Kaufman & Chang.«
»Also hat er dir den Namen dieses Wunderdoktors genannt, nehme ich an«, sagt Leslie.
»Ja, das hat er getan. Ein Dr. Kiš, und der ist in Ljubljana.«
»Wo?«
»Ljub. Lja. Na. Ljubljana.«
»Danke für die Nachhilfe, Alex. Wie wär’s, wenn du mir jetzt verrätst, wo zum Teufel das ist?« Die Dinge scheinen ohne sie weiterzulaufen; sie hat keine Lust, Passagierin auf der SS
Alex
zu sein, während diese über den Ozean des Lebens dampft.
»In Slowenien, dem schönen Slowenien.« Er kann nicht umhin, die Niedergeschlagenheit zu bemerken, die sich auf Leslies Gesicht ausbreitet, und er kaschiert seine eigene Nervosität, indem er nachdenklich ein öliges, salziges Stück Gelbschwanzmakrele kaut. »Dem Traumziel jeder jungen Frau«, fügt er hinzu.
»Nächste Woche ist Vertreterkonferenz«, sagt Leslie. »Ich muss mein Programm vorstellen.«
»Ich entschuldige mich. Ich entschuldige mich für alles. Es tut mir leid, dass ich dich nicht vorher gefragt habe, es tut mir wegen deiner Vertreterkonferenz leid und weil dieser neue Arzt nicht in Paris wohnt, aber vor allem tut es mir leid, dass es in unserem Leben keine Kinder gibt. Wir müssen das tun, Leslie. Ein letzter Versuch, okay? Wir müssen es einfach tun.«
»Alex, ich bin fertig, ich bin einfach … fertig.«
»Nein, bitte. Wir können jetzt nicht aufgeben. Ich habe diesem Kerl gerade einen Job gegeben.«
»Das hättest du nicht tun sollen.«
»
Leslie
, dieses Kind …«
»Es
gibt
kein Kind, Alex.«
»Ich weiß, ich weiß. Aber es könnte eines geben. Und ich habe mir in meinem ganzen Leben nie so sehr etwas gewünscht wie das.«
»Du hattest nie eine Chance, dich nach irgendetwas zu sehnen, Alex.« Sie weist mit einer Handbewegung auf das Haus, die Möbel, die Kunstwerke und alles, was bedeutet: Alex ist ein Erbe, dem es im Leben nie an etwas gefehlt hat.
Außer daran: an einem Erben.
»Das ist nicht fair, Leslie. Ich will ein Kind mit
dir
bekommen.«
»Ach Gott, Alex. Meinst du, ich will nicht auch ein Kind haben? Ich will, dass wir eines bekommen. Aber es gibt so viele Kinder auf der Welt, die darauf warten, dass sich jemand um sie kümmert. Ginge es uns nicht genauso gut, wenn wir eines adoptieren würden?«
»Das schließe ich ja nicht aus, ehrlich, überhaupt nicht. Aber versuchen wir es einfach noch ein letztes Mal. Können wir das nicht tun? All deine Freundlichkeit, deine Intelligenz und Schönheit – es wäre eine Schande, das nicht weiterzugeben, es nicht in der Welt zu bewahren. Der Genpool ruft geradezu danach!« Er lächelt und hebt die Augenbrauen, während er darauf wartet, dass sein Lächeln erwidert wird.
»Ich nehme an, du hast bereits Vorbereitungen getroffen.«
Alex zuckt die Achseln.
»Für wann sind wir angemeldet?«
»Für nächsten Montag.«
»Aber, Alex, nächste Woche? Da ist nicht nur Vertreterkonferenz, da ist auch meine Schwester in der Stadt, und ich habe ihr angeboten, bei uns im zweiten Stock zu wohnen.«
»Dann kann sie eben das ganze Haus bewohnen.«
»Wie viel wird das kosten?«, fragt Leslie.
»Eine unglaubliche Summe. Und die Hälfte habe ich bereits bezahlt, da er darauf besteht, dass sie vor dem Termin telegraphisch überwiesen wird. Dass das äußerst ungewöhnlich ist, weiß ich selbst, aber womöglich brauchen wir jetzt etwas Ungewöhnliches, da alles, was gewöhnlich ist, uns absolut nichts eingebracht hat.«
»Es ist einfach furchtbar zu sehen, dass du so durcheinander bist«, sagt Cynthia, Leslies ältere Schwester, zu ihr. Cynthia, die gemeinsam mit ihrem Freund in San Francisco einen Antiquitätenladen führt, ist nach New York gekommen, um Leslie zu besuchen und an einigen Auktionen teilzunehmen. Vor allem hofft sie, ein aus zwölf Tellern bestehendes Service zu ergattern, das 1775 in China hergestellt wurde, im Auftrag eines englischen Grafen, dessen Wappen es trägt, einen Biber mit Krönchen, flankiert von zwei Meerjungfrauen.
»Wir sind am Ende angelangt«, sagt Leslie. Die beiden sitzen im Salon, und obwohl es draußen noch hell ist, ist es hier düster. Der Raum ist von dunkelblauen Schatten und dem tristen Duft von Treibhausrosen erfüllt, die fröhlich wirken sollen. »Wenn
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