Breeds: Tabers Versuchung (German Edition)
anderen Frauen gegenüber, die genauso schön waren wie Dawn, oft anzügliche Bemerkungen machten, blickten in ihrer Anwesenheit mit verlegenen Gesichtern zu Boden.
Ihr Aussehen war nicht so übermenschlich, dass sie den Verkehr zum Erliegen brachte. Sie war schlank, zierlich, besaß dickes, seidiges Haar und große braune Augen, die immer gequält wirkten. Vielleicht war es das, dachte Roni. Ihre Augen schienen eine Geschichte zu erzählen, die Dawn niemals aussprach.
»Alle sehen mich so an.« Dawn schüttelte offensichtlich verwirrt den Kopf, als sie Ronis Blick bemerkte.
Roni seufzte tief. »Es tut mir leid. Du wirkst … so traurig. Ich schätze, mir war vorher einfach nie klar, wieso das so ist.«
»Und jetzt weißt du es?« In ihrer Stimme schwang kein Vorwurf mit, nur müde Akzeptanz.
»Ich glaube nicht.« Roni schüttelte langsam den Kopf. »Ich glaube, es liegt nicht nur an der Situation oder daran, dass die Gesellschaft nun Bescheid weiß. Wie alt warst du, als Callan dich aus den Labors rausholte?«
Und da war die Antwort. Etwas blitzte in ihren Augen auf. Albträume, Erinnerungen und Angst.
»Ich war fünfzehn. Sherra war achtzehn. Das war vor mehr als zehn Jahren. Mir kommt es vor, als wäre es erst gestern gewesen.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte müde. »Sie haben uns während der Senatsanhörung und den Prozessen gegen die Council-Mitglieder gezwungen, über die Labors zu sprechen. Sherra hat geweint.« Ihre Stimme wurde leiser. »So wie in den Labors, bevor Callan uns rausholte. Nach unserer Flucht hat sie nie mehr so geweint. Callan hat sie aus dem Zeugenstand geholt und aus dem Gebäude getragen. Es hat Wochen gedauert, bis sie beim Aufwachen nicht mehr geschrien hat.«
»Und du?«, fragte Roni leise.
Dawn schüttelte den Kopf und senkte ihn, bevor sie leicht zitternd lächelte. »Ich schlafe einfach nicht, Roni. Nicht lange und nicht tief. Die Monster könnten einen schließlich wieder und wieder und wieder holen, nicht wahr?« Sie erschauderte und stand auf, den Kopf zur Seite gelegt, die Augen plötzlich schmal, während sie die Waffe in einer fließenden Bewegung wieder in die Hand nahm.
»Was … ?«
»Sch«, zischte Dawn leise. »Hör doch.«
Da hörte sie es. Ein Kratzen, ein Kratzen an der Balkontür. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Sie griff nach der Pistole und ging vorsichtig an der Wand entlang, darauf bedacht, einen möglichst großen Abstand zu den Glastüren zu wahren.
Dawn bewegte sich wie ein Schatten. Sie zog das Mikrofon ihres Headsets vor ihren Mund, während sie weiter lauschte. Da war das Kratzen erneut zu hören, gefolgt von einem leisen Rascheln an den Balkontüren.
»Alpha one. Die Lage hat sich geändert.« Dawns Stimme war so leise, dass Roni sie kaum hören konnte. Die andere Frau war in einer Sekunde bei ihr, schützte sie mit ihrem Körper und deutete aufs Schlafzimmer.
Mit der Waffe an der Schulter ging Roni leise durch das Zimmer und konnte kaum atmen, während sie versuchte, ihre Angst unter Kontrolle zu halten. Sie kamen bis zur Schlafzimmertür und blieben stehen. Die Balkontür glitt langsam auf, und Roni warf Dawn einen erschrockenen Blick zu.
»Verdammt. Kommt hier rauf!« Dawn sprach so leise in das Mirko, dass nur Roni es hörte. »Wir verlassen das Zimmer. Wir verlassen das Zimmer.« Sie schob den Riegel zurück, öffnete die Tür und sah sich draußen kurz um, bevor sie aus dem Zimmer huschte.
Roni folgte ihr schnell, die Waffe im Anschlag und den Finger am Abzug. Sie drehte sich mehrmals um, während sie darum kämpfte, trotz des Hämmerns ihres Herzens etwas zu hören. Der Flur war dunkel und still, während sie ihn hastig durchquerten.
»Wir gehen zu Merinus’ Zimmer, Taber. Komm. Sie sind direkt hinter uns.« Dawn öffnete noch eine Tür, und sie schlüpften schnell hinein, als plötzlich ein lautes Fluchen aus Ronis und Tabers Zimmer zu hören war.
Dawn schloss die Tür leise und drehte sich dann zum Raum um. Merinus und Sherra warteten, beide bewaffnet, neben den Balkontüren und spähten in die Dunkelheit davor.
Das Zimmer von Merinus und Callan war keine Suite. Es war ein riesiges Schlafzimmer und völlig offen, abgesehen vom Badezimmer.
»Sie kommen näher«, zischte Sherra in ihr Mikro, während sie mit Merinus in die Mitte des Raumes lief. »Sie wissen, wo die Schlafzimmer liegen, und wir sitzen hier auf dem Präsentierteller. Verdammt, Kane, schick uns endlich Hilfe.«
»Taber und Callan sind auf dem Weg«,
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