Breeds: Tabers Versuchung (German Edition)
»Entschuldigt mich. Ich habe noch zu arbeiten.«
Roni sah sie überrascht an und verpasste fast den Ausdruck des Bedauerns, der über Merinus’ Gesicht huschte, als Sherra sich erhob und ihren Teller in die Spüle stellte.
»Sag Callan, dass ich auf Patrouille bin, falls er mich braucht«, sagte sie zu Merinus, während sie aus dem Zimmer ging. »Und sag Kane, er soll sich zum Teufel scheren.«
Roni zuckte zusammen.
»Das ist sein Problem«, seufzte Merinus und sah Dawn an. »Sie lässt sich von ihm nicht mal anfassen.«
»Ich kann ihr das nicht verübeln. Ich muss jetzt auch gehen. Gleich bekomme ich noch ein paar Infos über Mr Andrews. Wir wollen ja nicht, dass er noch mehr Insiderwissen übermitteln kann.«
Roni erstarrte mit der Kaffeetasse an den Lippen und ihre Augen weiteten sich. Vorsichtig stellte sie die Tasse ab, als die Bedeutung dieser Worte sie beinahe umhaute wie ein Faustschlag in den Magen.
»Er ist der Grund, warum sie wussten, in welchen Räumen wir uns aufhielten.« Die Erkenntnis traf sie mit schmerzhafter Klarheit, und sie schluckte hart, als ihr das Frühstück wieder hochzukommen drohte. »Er hat ihnen gesagt, wo wir sind.«
Merinus seufzte tief. »Das wissen wir nicht mit Sicherheit, Roni. Sie versuchen noch immer, die Nachricht zurückzuverfolgen.«
»Er hat gestern etwas gesendet, und gestern Nacht wurden wir angegriffen. Die Männer haben die Schwachstellen im Sicherheitsnetz vermutlich nur durch einen puren Zufall gefunden, oder?«, fragte sie verbittert und stand auf. »Er hätte uns alle fast getötet, und er ist immer noch hier und bekommt die Chance, es noch mal zu versuchen.«
Der Zorn tobte in ihrem Inneren. Mein Gott, wie sollte es ihr bloß gelingen, die Gefahr zu neutralisieren, die ihr Vater für ihr Leben bedeutete? Er war jetzt nur noch entschlossener, sie zu zerstören, als in all den Jahren zuvor.
»Roni. Callan und Taber kümmern sich darum«, sagte Merinus leise. »Lass sie tun, was zu tun ist.«
Roni warf ihr einen harten, rachedurstigen Blick zu. »Ich denke nicht, Merinus. Nicht dieses Mal. Nicht schon wieder.«
29
Roni war nicht besonders begeistert von Tabers Verhalten. Den ganzen Tag über hatte er sich geweigert, Reginald vor die Tür zu setzen oder ihr zu erlauben, dass sie selbst herausfand, was zur Hölle er wollte. All das steigerte ihre Angst nur noch. Er war gefährlich – für sie und für Taber. Das hatte er bereits bewiesen. Ihr Streit mit Taber bewies nur, dass Reginald noch hinterhältiger, noch böser war als jemals zuvor. Sie konnten nicht beweisen, dass er die Nachricht geschickt hatte. Sie vermuteten es nur. Um die Bedrohung effektiv zu stoppen, mussten sie auf Nummer sicher gehen, ebenso wie sie mit hundertprozentiger Sicherheit wissen mussten, für wen er arbeitete.
Die Männer, die sie gestern Nacht angegriffen hatten, waren nur bezahlte Söldner gewesen. Manchmal arbeiteten sie für das Council, manchmal für andere Auftraggeber. Es gab mehr als eine Gruppierung auf der Welt, die beschlossen hatte, dass die Breeds es nicht verdienten zu leben. Reginald war nur einer von vielen, falls er tatsächlich etwas damit zu tun hatte.
Er war ihr Vater. Er war der Mann, den ihre Mutter geliebt hatte. Ihre freundliche, sanfte Mutter. Roni lehnte den Kopf gegen das kühle Glas der Balkontür und kämpfte gegen den Schmerz, der ihr das Herz zerriss.
Margie Andrews war so unglaublich freundlich und sanft gewesen. Roni erinnerte sich kaum an sie, aber sie wusste noch, wie ihre Mutter ihr leise Wiegenlieder gesungen oder ihr versprochen hatte, dass sie es einmal besser haben würde. Und sie erinnerte sich daran, wie ihre Mutter geweint hatte.
Es war eine der deutlichsten Erinnerungen an ihre Kindheit. Die Schreie ihrer Mutter, gedämpft, während sie Reginald um Gnade anflehte. Bitte, Reggie, bitte tu mir nicht weh …
Roni zuckte zusammen, als die Worte durch ihren Kopf hallten. Es war die letzte Erinnerung an ihre Mutter. Die letzten Worte, die sie Margie hatte sprechen hören. Am nächsten Morgen fuhr ihre Mutter zur Arbeit, und eine Stunde später war sie tot.
»Armselige Schlampe«, hatte Reginald bei der Beerdigung gemurmelt. »Sie hat nicht genug gekämpft.«
Roni war nie sicher gewesen, was er damit gemeint hatte, aber sie hatte sie nie vergessen. Steckte er hinter dem Unfall ihrer Mutter? Oder war es nur eine weitere seiner ständigen Beschwerden über die angegriffene Gesundheit ihrer Mutter gewesen?
Sie war damals allein
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