Brenda Joyce
meinen eigenen Händen getötet. Ein Mann muss die Frau, die er
liebt, immer verteidigen und beschützen.«
Sie fragte
sich, ob es das war, was Alexi getan hatte, und plötzlich wusste sie, dass es
so gewesen war. Er hatte sie schon geliebt, als sie noch Kinder waren, sie
waren nur zu jung gewesen, um das zu erkennen. »Alexi hat mich gerngehabt, und
wenn er noch eine Gelegenheit bekommt, dann könnte er auch wieder so empfinden.
Doch er ist fest entschlossen, mir zu widerstehen.«
Cliff
lächelte. »Alexi ist ein sehr stolzer und dickköpfiger Mann. Du hast ihn
verletzt, als du vor Jahren überlegt hast, Montgomery zu heiraten. Du hast ihn
mit deinen verschiedenen Freundschaften immer
wieder verletzt, Elysse. Ich bin nicht sicher, ob er sich leicht überreden
lassen wird. Aber ich bin sicher, dass er dich immer geliebt hat.«
Sie fühlte,
wie ihr Herz vor Aufregung schneller schlug. Ach, wenn sein Vater doch nur
recht hatte! Sie biss sich auf die Unterlippe und zögerte. »Es war dumm von
mir, mit Montgomery zu spielen, um Alexi eifersüchtig zu machen. Seit jener
tragischen Nacht in Windhaven habe ich das gewusst. Ich habe sogar Alexi
gesagt, wie leid es mir tut. Aber er ist so starrköpfig. Er will mir nicht
verzeihen, und auch nicht sich selbst. Und was den Klatsch über meine Liaisons
betrifft – es waren immer nur Freundschaften. Ich habe während der vergangenen
Jahre eine schreckliche Scharade gespielt, um meinen Stolz zu bewahren und
Demütigungen zu vermeiden. Und vielleicht auch, um mich an Alexi wegen seines
Betrugs zu rächen.«
Endlich
fragte Cliff: »Hast du meinem Sohn irgendetwas davon gesagt?«
»Er würde
mir niemals glauben.«
»Er muss
darüber Bescheid wissen. Ich glaube, deine angeblichen Affären während der
letzten Jahre haben eurer Ehe mehr geschadet, als es Montgomerys Tod jemals
gekonnt hätte.«
Sie schlang
sich die Arme um die Taille. Hatte Cliff recht? Sie wusste, wie stolz Alexi
war, und allmählich begann sie zu glauben, dass er auch schrecklich
eifersüchtig sein konnte. »Aber er hatte seine eigenen Affären.«
»Er ist ein
Mann, und da gelten andere Regeln.« Cliff sprach unmissverständlich.
Elysse
wusste, dass er recht hatte. Männer konnten sich jedes skandalöse Betragen
leisten, aber eine Lady durfte das nicht. Sie ging zu einem der großen Fenster
und blickte hinaus auf die geschäftige Straße, die voll war mit Kutschen,
Karren und Wagen. Dahinter sah sie ein Schiff, das entladen wurde, Hunderte
versiegelter Fässer wurden umgepackt, um zu einem Speicher gebracht zu werden.
Cliff kam dazu und stellte sich hinter sie. »Das ist Palmöl aus Benin. Wir
können der Nachfrage unserer Fabriken kaum gerecht werden.«
Sie drehte
sich zu ihm um. Afrikanisches Öl interessierte sie nicht. Nur eines war sicher.
»Ich muss die Vergangenheit für uns begraben, ein für alle Mal. Ich will diese
Ehe retten, was auch immer es kosten wird. Ich liebe Alexi, wie sehr er sich
auch dagegen wehrt.«
Cliff
lächelte. »Nun, da du einen Entschluss gefasst hast«, sagte er leise, »ist
sein Widerstand vielleicht nicht ganz so starr, wie er einst war.«
Elysse
hoffte von ganzem Herzen, dass er recht hatte. »Cliff, ich kann nicht noch ein
Jahr in London herumsitzen und darauf warten, dass er zurückkommt. Ich werde
ihm nach China folgen. Aber um das tun zu können, brauche ich deine
Hilfe.«
Das Lächeln
ihres Schwiegervaters verschwand. »Elysse, du kannst unmöglich allein nach
China reisen.«
»Warum
nicht? Ich kann mir eine Koje auf dem nächsten Schiff mieten, das ausläuft.
Wann geht der nächste Klipper nach China?«
»Das
nächste Windsong-Schiff legt am fünfzehnten Juni ab, aber das ist kein
Passagierschiff. Eine solche Reise ist unvorstellbar gefährlich. Du bist eine
Lady. Du könntest von Mannschaftsmitgliedern angegriffen werden – oder, was
noch schlimmer wäre, von Piraten. Was ist mit Stürmen und dem Monsun? Was ist
mit der Malaria?«
Sie achtete
nicht auf seine Einwände. Das nächste Windsong-Schiff lief also erst in sechs
Wochen aus – sie konnte unmöglich so lange warten. »Wenn ich das Schiff nehme,
dann ist Alexi vielleicht schon wieder nach Hause unterwegs, ehe ich in Kanton
ankomme. Lass mich also ein Schiff mieten.« Noch während sie diesen
Gedanken aussprach, erkannte sie, dass sie eine so große Geldsumme nicht
aufbringen könnte. Es war ein absurder Gedanke, für eine einzige Frau ein
Schiff ohne Fracht quer über den Erdball zu
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