Brenda Joyce
schicken.
»Dafür
müsstest du die Hälfte deines Vermögens aufbringen«, erwiderte Cliff. »Ich
schicke kein leeres Schiff nach China. Hast du mir nicht zugehört? Das ist
gefährlich, Elysse. Ich werde dich auf keinen Fall nach China reisen lassen,
wenn du nicht von mir oder deinem Ehemann begleitet wirst. Ich muss hierbleiben
und mich um Windsong kümmern, und Alexi ist schon fort. Und das bedeutet, dass
du hier in London warten musst, bis er wieder da ist.«
Sie wollte
ihm widersprechen, doch sein Blick war hart und misstrauisch. Sie wandte sich
ab. Wenn er wüsste, dass sie ihre Meinung ungeachtet der Gefahr nicht geändert
hatte, dann würde er Himmel und Erde in Bewegung setzen, um sie aufzuhalten.
Sie schloss die Augen. Jetzt musste sie lügen, in einer Weise, wie sie es noch
nie getan hatte.
Irgendwie
gelang es ihr, ihrem Schwiegervater in die Augen zu sehen. »Ich
weiß nicht, was mit mir los ist. Natürlich kann ich nicht allein nach China
reisen. Nur eine Verrückte würde so etwas tun.«
»Du
könntest ihm einen Brief schreiben«, erklärte Cliff nachdrücklich. »Er
wird mindestens einen Monat in Kanton sein. Wenn du ihn jetzt schreibst, dann
besteht die Möglichkeit, dass er ihn erhält.«
Elysse
brachte es fertig, ihn anzulächeln. Ja, Alexi könnte einen Brief bekommen – in
hundert Tagen oder so. »Natürlich«, sagte sie folgsam. »Ich werde ihm
einen Brief schreiben und ihm alles erklären.«
Fast eine Woche später saß Elysse in
ihrer geschlossenen Kutsche, die Fenstervorhänge halb zugezogen, und trug einen
dicht verschleierten Hut. Sie blickte auf die Eingangstür von Potters. Wie auf
ein Zeichen hin trat Matilda aus dem Haus, gekleidet wie eine wohlhabende Frau,
ebenfalls mit Hut und Schleier, damit sie nicht erkannt wurde. Elysse holte
tief Atem und lehnte sich in die Polster zurück. Mit geneigtem Kopf überquerte
Matilda die Straße, damit niemand sie erkennen konnte.
Bisher
hatte Elysse noch keine Überfahrt nach China gefunden. Sie hatte durch ihre
Haushälterin zwei vorsichtige Anfragen gewagt. Jetzt, da sie wusste, dass ihr
Schwiegervater ihr niemals erlauben würde, allein zu reisen, musste sie mit
äußerster Diskretion vorgehen. Sie war im Bereich der
Schifffahrtsgesellschaften gut bekannt, und ihr war sofort klar gewesen, dass
sie eine Tarnung benötigen würde, um eine Passage zu buchen. Bisher war sie
von zwei Klippern abgewiesen worden. Sie betete, dass Matilda im Haus von
Potter, Wilson and Co. mehr Erfolg gehabt hatte.
Matilda
öffnete die Wagentür und stieg ein. Ihre Miene war finster. Elysses Hoffnung
sank. »Kein Glück gehabt?«, rief sie bekümmert und kannte doch schon die
Antwort ihrer Haushälterin auf diese Frage.
»Vielleicht
sollten Sie noch einmal darüber nachdenken, Madam«, erwiderte Matilda.
»Kein Kapitän möchte eine einzelne Frau nach China bringen, egal wie viel Sie
für diese Überfahrt zu zahlen bereit sind.«
»Ich möchte
meinen Ehemann zurückhaben«, hörte Elysse sich selbst flüstern. Noch als
sie sprach, fragte sie sich, ob sie sich auf einem falschen Weg befand, um eine
Überfahrt zu finden. Sie hatte bisher mit den Verwaltern und Vorsitzenden
dieser Häuser gesprochen – aber was wäre, wenn sie direkt zu einem der Schiffskapitäne
ging? Sie wurde nervös. Alexi war ein wohlhabender Gentleman, aber viele
anderer Seefahrer waren das nicht. Doch wäre das nicht eher ein Vorteil für
sie? Ein weniger reicher Kapitän wäre vielleicht interessiert, sie für gutes
Geld nach Kanton mitzunehmen. Seine Dienstherren würden davon nie etwas
erfahren müssen.
»James«,
sagte sie zum Kutscher, »ich würde gern zum Hafen fahren und mir die Schiffe
ansehen, die dort vor Anker liegen.«
Matilda
musterte sie aufmerksam, als sich die Kutsche in Bewegung setzte. Elysse stieß
das Fenster auf und starrte hinaus, ohne etwas zu sehen. Vor sechs Tagen war
Alexi abgereist, und sie hatte das Gefühl, als liefe ihr die Zeit davon.
Vermutlich würde er Kanton schneller erreichen als die meisten anderen, und
zweifellos wollte er vor dem Novembermonsun wieder nach Hause fahren. Mit jedem
Tag, der verging, sorgte sie sich, wie lange er wohl in Kanton bleiben würde,
um Tee zu kaufen und dann sorgfältig zu verladen. Sie musste so bald wie
möglich in See stechen. Sie wollte nicht in Kanton eintreffen, nur um dann
festzustellen, dass er bereits nach Hause unterwegs war.
In ihren
Schläfen pochte es. Sie schien in den letzten Tagen ständig Kopfschmerzen
Weitere Kostenlose Bücher