Brenda Joyce
Paradise, Texas.« Lucy schmunzelte. »Und Sie können mir
glauben, es ist wahrhaftig ein kleines Paradies auf Erden! Ich mache hier sozusagen
Urlaub«, verkündete sie fröhlich. »Im allerletzten Moment konnte ich einer
Reise in die große Stadt nicht widerstehen. Und nun müssen Sie mir unbedingt
erzählen, wie Sie den Mord aufgeklärt haben.«
»Lucy, Francesca ist gerade erst hereingekommen und hat gewiss
nicht damit gerechnet, hier die versammelte Familie Bragg anzutreffen, von
meiner außerordentlich geschwätzigen kleinen Schwester nicht zu reden. Kann ich
dich wohl ein wenig bremsen?« Bragg schüttelte liebevoll den Kopf.
»Ich könnte Ihnen vielleicht ein wenig die Stadt zeigen«, bot
Francesca an, die nun wieder verstohlen Grace Bragg musterte. Diese
beobachtete sie ihrerseits aufmerksam und ließ sich keines ihrer Worte
entgehen, als ob sie sie insgeheim taxierte. Francesca betete, diese Frau, die
sich offenbar durch äußeren Schein nicht täuschen ließ und gewiss nicht leicht
zu beeindrucken war, möge Gefallen an ihr finden.
»Ach, das wäre reizend«, stimmte Lucy zu. »Allerdings bin ich ja
hier aufgewachsen – bevor mein gut aussehender Mann mich entführt und ins Death
Valley verschleppt hat.«
Francesca stutzte. »Death Valley? Er hat Sie entführt?«
»Das ist eine lange Geschichte«, schaltete sich Bragg ruhig ein,
ehe Lucy dazu kam, etwas zu erwidern.
»Aber ich möchte unbedingt hören, wie Sie den Mann zur Strecke
gebracht haben, der Harts Vater ermordete!«, drängte Lucy. »Wann können wir uns
treffen? Oder wie wäre es, wenn Sie gleich jetzt erzählten?«
»Aber, Lucy«, mahnte Rathe, zwar lächelnd und in väterlichem Ton,
zugleich jedoch streng. An Francesca gewandt fuhr er fort: »Meine Tochter ist
ein Wirbelwind. Sie kam schon so auf die Welt – und weder Ehe noch Mutterschaft
haben ihr Temperament zu dämpfen vermocht.«
Francesca fing einen verschwörerischen Blick von Lucy auf, der
besagte: »Hören Sie nicht auf ihn.« Dann fragte Braggs Schwester: »Was ist
denn mit Ihrer Hand geschehen?«
Francesca zögerte und warf instinktiv einen
Blick zu Bragg. »Diese Frage kann ich beantworten«, ertönte von der Tür her
eine Stimme.
Francesca erstarrte. Dieser träge, sinnliche Tonfall ... so gleichgültig-spöttisch
sprach nur ein Mann.
»Calder!«, rief Lucy aus und stürmte an Francesca vorbei. Als
diese sich umdrehte, fiel der stürmische Rotschopf gerade Calder Hart um den
Hals.
Der grinste, wobei seine weißen Zähne
aufblitzten, die einen starken Kontrast zu dem auffallend dunklen Teint bildeten. Er hob
Lucy hoch. »Das mag ich, so begrüßt zu werden«, sagte er in einem Ton, als
wolle er mit ihr flirten.
In diesem Moment wurde Francesca klar, dass die beiden nicht
wirklich verwandt waren. Bragg und Calder waren Halbbrüder, doch sie hatten
die Mutter gemeinsam, nicht den Vater. In Harts Adern floss kein Tropfen
Bragg'schen Blutes. Francesca fühlte sich wie gelähmt und eigentümlich
verärgert.
»Wenn du mich weiter so anschaust, bringt Shoz dich um«, hauchte
Lucy, die noch immer in seinen Armen lag.
»Aber du hältst ihn doch ganz gern ein wenig auf Trab«, versetzte
Hart leichthin. Er wirkte recht zufrieden mit sich selbst. »Außerdem ist er
schon ein alter Mann.«
»Er ist sehr eifersüchtig«, entgegnete Lucy mit unverhohlener
Befriedigung. »Aber er ist nicht so alt, dass er dich nicht noch das eine oder
andere lehren könnte«, fügte sie mit schelmischem Grinsen hinzu.
»Da magst du Recht haben.« Langsam ließ Hart Lucy los und wandte
sich Francesca zu.
Diese errötete.
»So viel zum Thema Bettruhe«, bemerkte er. Dann zuckte er die
Schultern, als sei das nicht sein Problem und kümmere ihn nicht im Mindesten.
Spöttisch sagte er zu Rick: »Wir hätten eine Wette über sie abschließen
sollen. Ich hätte ihr drei oder vier Tage gegeben ... offenbar hätte ich
verloren.«
»Hallo, Calder.« Bragg begrüßte seinen Halbbruder mit einem
knappen Kopfnicken. Seine Stimme klang angespannt – er war sichtlich nicht
erfreut über dessen Erscheinen.
Hart betrat den Raum. Wie immer bot er einen
atemberaubenden Anblick – er war ein dunkler Typ, außerordentlich gut
aussehend, mit einer Vorliebe für blütenweiße Hemden und pechschwarze
Anzüge. Niemand anderem als ihm wäre es gelungen, in dieser Aufmachung nicht
auszusehen wie der Leiter eines Bestattungsunternehmens.
Grace lächelte, doch zugleich funkelten
hinter der Brille Tränen in ihren
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