Brenda Joyce
– wissen Sie
etwa nicht ...?«
»Wovon sprechen Sie?« War sie verrückt? Ja,
Francesca liebte Bragg – weil sie, als sie sich kennen lernten und gemeinsam
mit den Ermittlungen zu der Burton-Entführung begannen, nicht gewusst hatte,
dass er verheiratet war. Er hatte sich stets als vollendeter Gentleman
erwiesen, doch sie hatte sich hoffnungslos in ihn verliebt, während sie beide
versuchten, einen verwirrenden Hinweis nach dem anderen zu deuten. Rick Bragg
verkörperte alles, was sie an einem Mann bewunderte. Wäre er frei gewesen, so
hätten er und Francesca das perfekte Paar abgegeben, dass mussten alle
einräumen, die ihn kannten und von seiner Ehe wussten.
Selbst Hart hatte es zugegeben.
Was dachte Lucy? Hart war für Francesca nichts als ein Freund, und
noch dazu benahm er sich ihr gegenüber oft genug unerträglich – wie
beispielsweise gerade eben erst.
»Ich spreche von der Tatsache, dass sich Rick offenbar in einer
Weise zu Ihnen hingezogen fühlt, die nicht rein platonisch ist. Andererseits
empfindet Hart offensichtlich ebenfalls etwas für Sie, was ich bei ihm so noch
nie beobachtet habe. Und so wenig zu übersehen ist, dass Sie Rick verehren,
sowenig ist mir doch auch entgangen, wie Sie Calder angesehen haben. Allerdings
schlägt Calder die meisten Frauen in seinen Bann«, fügte sie schulterzuckend
hinzu. »Ich weiß, ich bin sehr direkt ...«
»Das sind Sie allerdings!«, rief Francesca, von plötzlicher Panik
erfasst. Der Aufzug war inzwischen zum Stehen gekommen, was sie jedoch gar
nicht wahrnahm. Sie dachte nur noch an Harts Blick, als er sie auf dem Ball der
Channings in diesem entsetzlich gewagten roten Kleid gesehen hatte. Man hätte
sich kaum eine Frau vorstellen können, die weniger auf Mode gab als sie – in
der Regel bevorzugte sie marineblaue Röcke und weiße Hemdblusen oder schlichte
Ensembles. Als Hart sie in ihrem extravaganten neuen Kleid gesehen hatte –
einem Kleid, das so gar nicht zu ihr passte, da sie nun einmal keine Sirene
war –, hatte er sie angesehen, wie ein Mann eine Frau ansieht, die er begehrt.
Ausgerechnet bei diesem Anlass hatte er sie endlich attraktiv gefunden. In
jenem kurzen Moment war zwischen ihnen eine gefährliche, hässliche Bestie zum
Leben erwacht, die nun keine Ruhe mehr geben wollte.
Francesca wünschte, sie könnte diesen Moment ungeschehen machen.
Inzwischen bereute sie sogar, das rote Kleid überhaupt jemals
angezogen zu haben.
»Wir sind im Erdgeschoss«, bemerkte Lucy sehr
leise.
Francesca schrak aus ihren Grübeleien auf, begegnete dem Blick der
anderen Frau und wich ihm hastig wieder aus. Lucy hatte Unrecht. Sie
hatte überhaupt in allem, was sie gesagt hatte, Unrecht.
»Ich habe Sie aus der Fassung gebracht. Es
tut mir Leid.« Lucy fasste ihre Hand und geleitete sie aus dem Aufzug. »Das war nicht
meine Absicht. Ich hätte meine Gedanken für mich behalten sollen. Ich muss
mich entschuldigen ... es ist nur – mit so etwas hätte ich nie gerechnet.«
Francesca brachte ein Nicken zustande. »Rick ist verheiratet, und
Hart ist ein entsetzlicher Schürzenjäger. Keiner von beiden ist der Richtige
für mich.«
Lucy machte Anstalten, Francesca zu widersprechen, doch dann
lächelte sie nur und schwieg einen Moment lang, ehe sie sich erkundigte:
»Hätten Sie morgen Zeit für ein gemeinsames Mittagessen? Oder vielleicht für
ein Glas Champagner? Wir könnten in das Fifth Avenue Hotel gehen – Rick isst
sehr gern dort. Ich möchte Sie so gern näher kennen lernen, bevor ich nach
Paradise zurückkehre.«
Francesca hätte sie umarmen mögen aus Dankbarkeit dafür, dass sie
das Thema gewechselt hatte, doch innerlich war sie noch immer zutiefst
erschüttert. »Mit Vergnügen – mir wäre beides sehr recht«, erwiderte sie. Es
war eine Erleichterung, wieder über etwas so Einfaches wie eine Verabredung zum
Essen zu sprechen. Die beiden Frauen traten ins Freie.
»Dort ist Peter. Ist er nicht
ein Goldstück?« Lucy bezog sich auf Braggs Bediensteten. Der hünenhafte Schwede
hatte sie bereits bemerkt und blickte ihnen entgegen. »Peter!« Lucy winkte.
»Miss Cahill braucht den Wagen!«
Peter nickte und trat vor den Daimler, um den Motor anzukurbeln.
Lucy umarmte Francesca spontan und sagte: »Ich bin so froh, dass ich mich
entschieden habe, mit den Kindern nach New York zu kommen!«
»Ich hatte gehofft, Sie einmal kennen zu lernen – und auch Ihre
Eltern«, gestand Francesca.
Lucy zwinkerte
vielsagend, als kenne sie den wahren Grund
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