Brenda Joyce
gekünstelt, und Francesca glaubte
in seinem Blick einen gewissen Argwohn zu erkennen.
Bragg gab Farr einen Wink, woraufhin dieser hinter Harts riesigen
Schreibtisch trat. Ohne sich zu setzen, wählte er die Nummer des
Polizeireviers und begann dem Captain dort ein Telegramm zu diktieren, das an
sämtliche Polizeiwachen in der Stadt gesandt werden sollte. Francesca ging
rasch zu Bragg und Hart hinüber und sagte im Flüsterton: »Er forscht nach einem
Motiv, Bragg. Das ist nicht gut.«
»Das ist mir nicht entgangen«, versetzte Bragg ebenso leise. »Ich
wünsche nicht, dass er Lucy befragt, weder jetzt noch irgendwann später.« An
Shoz gewandt, fuhr er fort: »Und du erzählst ihm nichts, Shoz. Keinerlei
Einzelheiten über dein Leben. Er braucht nicht zu erfahren, dass du auch nur
einen Tag lang gemeinsam mit Craddock eingesessen hast.«
Shoz entblößte die Zähne zu einem freudlosen Grinsen. »Meine
Begnadigung ist ein offizielles Dokument, Rick. Wenn er gründlich genug
nachforscht, wird er darauf stoßen.«
»Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so
weit ist.«
»Er hat bereits Verdacht geschöpft«, stellte Hart nüchtern fest.
Er blickte seinem Halbbruder fest in die Augen. »Deinem Untergebenen fehlt es
an Loyalität, Rick.«
Bragg biss die Zähne zusammen.
»Dessen bin ich mir bewusst.« Die beiden maßen sich mit Blicken. »Ein Dolchstoß
von hinten«, murmelte Calder schließlich. »Wir alle werden von nun an Acht
geben müssen, wen wir im Rücken haben.«
Schweigend überdachten die vier seine Worte. Francesca pflichtete
Hart instinktiv bei. Sie zupfte Bragg am Ärmel und flüsterte ihm zu: »Wir
müssen J. C. zuerst finden.« Als sie hörte, wie Farr den Hörer auflegte, wandte
sie sich hastig von Bragg ab. Der Polizeichef schloss sich wieder der
schweigenden Gruppe an.
Farrs Blick wanderte von Bragg zu Francesca, dann zu Calder und
schließlich zu Shoz. »Ich würde gern mit Ihrer Frau sprechen«, sagte er.
»Sie schläft. Sie war völlig aufgelöst, und ich will nicht, dass
sie jetzt gestört wird«, entgegnete Shoz in einem Ton, der keinen Widerspruch
zuließ.
Farr wandte sich an Bragg. »Es wäre für die Ermittlungen dienlich,
wenn man sie wecken könnte.«
Bragg entgegnete: »Ich bin über alles im Bilde und kann Sie über
sämtliche Einzelheiten zu dem Fall informieren. Dies ist kein günstiger
Zeitpunkt für ein Gespräch mit Lucy, Chief. Sie hat einen hysterischen Anfall
erlitten.«
Farr zuckte die Schultern. »Also gut, dann
kehre ich jetzt ins Präsidium zurück«, verkündete er. »Es wird vermutlich ein
paar Stunden dauern, ehe wir mit ersten Erkenntnissen rechnen können.«
Bragg nickte und klopfte ihm auf die
Schulter. »Danke, Chief.«
Farr sah ihn kurz an, dann nickte er in die
Runde, wobei sein Blick an Francesca hängen blieb. Sie hielt ihm stand, ohne zu
erröten oder mit der Wimper zu zucken. »Vielleicht könnten wir noch kurz unter
vier Augen miteinander reden, Miss Cahill?«, fragte er.
Francesca erschrak.
Bragg
schaltete sich ein: »Miss Cahill wollte gerade gehen.«
Farr
lächelte mit einem eigentümlichen Ausdruck – ihm war offenbar bewusst, dass ihm
Steine in den Weg gelegt wurden – und ging.
Hätte Francesca einen Fächer bei sich gehabt, so hätte sie sich
jetzt Luft zugefächelt.
Shoz kündigte an: »Ich höre mich auch etwas auf der Straße um. Ich
kann nicht hier im Haus herumsitzen und darauf warten, dass jemand anders meine
Tochter findet.«
»Mit Geld kann man beinahe alles bewirken«, warf Hart kühl ein.
Francesca bemerkte, dass er sie noch immer ignorierte. Seit Bragg eingetroffen
war, hatte er sie nicht ein einziges Mal angesehen. »Ich denke, wir sollten uns
aufteilen und versuchen, gegen reichliche Bezahlung alle verfügbaren
Informationen zu erkaufen.«
»Dem stimme ich zu«, erklärte Bragg. »Graddocks letzte bekannte
Adresse war 18 Allen Street. Dort wurde er zwar seit über einem Jahr nicht
mehr gesehen, aber vielleicht ist es dennoch ein guter Ansatzpunkt.«
»Bis letzte Woche hatte er ein Zimmer über einem Saloon gemietet,
an der Kreuzung von West Tenth Street und Broadway«, ergänzte Hart.
»Ich werde gehen«, verkündete Shoz, und in seinen silbergrauen
Augen funkelte etwas, das Francesca zu ihrem Schrecken als Mordlust deutete.
»Ich denke,
wir Übrigen sollten damit beginnen, die Leute in der Umgebung zu befragen.
Vielleicht hat jemand die Entführung beobachtet. Ich will eine Beschreibung
der Kutsche und des Kutschers.
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