Brenda Joyce
aussehenden Dienstboten, zuzulächeln, während sie ihm ihren
Mantel gab. »Haben Sie meinen Bruder gesehen?«, erkundigte sie sich. Trotz
ihrer persönlichen Probleme hatte sie nicht vergessen, dass es einen Fall aufzuklären
galt.
»Ich glaube, Mr Cahill hat eine Unterredung mit Ihrem Vater, Miss
Cahill. Die beiden haben sich vor einiger Zeit in die Bibliothek
zurückgezogen.«
Francesca wollte sich gerade auf den Weg machen, um mit Evan über
ihre zweite Theorie zu sprechen – dass eine zurückgewiesene Debütantin
wahnsinnig und hinterhältig genug sein könnte, Sarahs Studio zu verwüsten. Doch
noch ehe sie dazu kam, hörte sie von der Treppe her zwei vertraute Stimmen und
sah gleich darauf ihre Mutter und Maggie Kennedy langsam herunterkommen. Julia
trug ein prächtiges, purpurrotes Ballkleid von Poiret, dazu eine Halskette mit
Rubinen sowie Diamantohrringe. Maggie war mit einem schlichten marineblauen
Rock und einer Hemdbluse bekleidet und stützte sich mühsam auf einen Gehstock.
Die rothaarige Frau war bleich und noch sichtlich geschwächt von der
Stichverletzung, die sie zu Anfang der Woche erlitten hatte.
Francesca machte kehrt und eilte den beiden entgegen. »Mrs
Kennedy! Dürfen Sie denn überhaupt schon aufstehen?«
»Dieselbe Frage habe ich ihr ebenfalls gestellt«, bemerkte Julia,
während sie ihre ellenbogenlangen schwarzen Handschuhe überstreifte. Ihr Haar
war mit der Brennschere in Wellen gelegt. Insgesamt war sie eine schöne und
höchst elegante ältere Dame, die – wie Francesca sehr wohl wusste – noch immer
Blicke auf sich zog.
»Es geht mir schon viel besser, danke«, versicherte Maggie ein
wenig atemlos. »Dr. Finney hat gesagt, ich soll mich ruhig etwas bewegen, um
wieder zu Kräften zu kommen.«
»Aber Treppen zu steigen ist doch wohl noch etwas anderes«,
protestierte Francesca.
Maggie lächelte sie an. »Ich muss zusehen, dass ich wieder auf die
Beine komme, Miss Cahill. Wissen Sie, ich habe gerade schon zu Mrs Cahill
gesagt, morgen gehe ich nach Hause zurück.«
Francesca starrte sie überrascht an. Maggie Kennedy war die Mutter
ihres Gehilfen Joel. Sie arbeitete tagsüber als Näherin in der Fabrik von Moe
Levy und schneiderte nach Feierabend Kleider für Privatkundinnen. Francesca
hatte die Frau bereits bei ihrer ersten Begegnung vor etwa einem Monat auf
Anhieb gemocht. Während der Ermittlungen in ihrem letzten Fall hatte sich dann
herausgestellt, dass Mrs Kennedy in der Gefahr schwebte, das letzte Opfer des
Kreuzmörders zu werden.
Francesca und Bragg hatten daraufhin die hübsche Näherin
überredet, mit ihren Kindern ins Haus der Cahills zu ziehen. Nachdem der Mörder
am Dienstagabend einen Anschlag auf sie verübt und sie dabei mit einem Messer
verletzt hatte, war sie dort geblieben, um sich von der Verletzung zu erholen.
»Das ist doch Unfug«, widersprach Julia nun energisch. »Meine
liebe Maggie, Sie befinden sich ganz offensichtlich noch nicht in der
Verfassung, nach Hause zurückzukehren. Sie sind ja kaum imstande, diese Treppe
zu bewältigen!«
»Meine Mutter hat Recht«, mischte sich Francesca ernsthaft besorgt
ein.
»Ich bin Ihnen wirklich schon genügend zur
Last gefallen«, wandte Maggie ein, wobei ihre porzellangleiche, makellose Gesichtshaut
rosig anlief. Julia hatte sich in der Tat als äußerst großzügig erwiesen, als
sie auf Francescas Bitten hin die Näherin mit ihren vier Kindern bei sich
aufnahm. »Und Ihr Bruder hat bestimmt allmählich genug von meinen vier kleinen
Rackern«, fuhr Maggie mit einem Lächeln fort, »Außerdem – wenn ich nicht am
Montag wieder bei Moe Levy zur Arbeit erscheine, verliere ich am Ende noch
meine Stelle.«
»Hat Evan etwa wegen der Kinder irgendetwas gesagt?«, erkundigte
sich Julia, wobei sie ihre schmalen Augenbrauen kaum merklich hochzog.
»Evan vergöttert Ihre Kinder«, beteuerte Francesca. Seit die
Kleinen im Haus weilten, war er mit ihnen im Park gewesen und im Zoo, und er
hatte sie sogar zum Bowling mitgenommen.
»Das ist nicht fair«, protestierte Maggie
leise. Dann errötete sie. »Ich mache mir nur Sorgen um meinen Arbeitsplatz,
Miss Cahill.«
»Aber, Maggie«, beschwichtigte
Francesca sie sofort, »der Commissioner hat doch mit Ihrem Arbeitgeber
gesprochen und ihm die Lage erklärt. Sie werden Ihre Stelle nicht verlieren.«
Maggie blickte sie skeptisch
an. »Sind Sie sicher? Ich glaube nämlich nicht, dass es Mr Wentz interessiert,
ob der Polizeipräsident wünscht, dass ich meine Stelle
Weitere Kostenlose Bücher