Brenda Joyce
nicht alle so aufwachsen
– in Armut und ohne Bildung, doch von solch glühendem Drang nach Höherem
beseelt, dass wir diese Fesseln allein mittels unserer Kraft, unserer
Entschlossenheit und unseres Verstandes abschütteln. Es tut mir aufrichtig
Leid, dass ich nicht auf einer Farm aufgewachsen bin, Kühe gemolken und Felder
gepflügt habe so wie du. Es tut mir Leid, dass ich nicht mit zwölf bei einem
Metzger zu arbeiten begonnen, nicht meine übrige Kindheit hindurch
Knochenarbeit geleistet und jeden verdienten Penny gespart habe, um
diese verdammte Metzgerei irgendwann kaufen zu können! Es tut mir Leid, dass
ich all das nicht getan habe, nicht anschließend meine Konkurrenten nach und nach
aufgekauft habe, bis das Unternehmen Cahill an der Spitze der Heisch
verarbeitenden Industrie stand! Ich bin nicht du! Und ich werde es auch nie
sein!«, schrie er.
»Niemand erwartet, dass du genau wie Vater bist«, schaltete sich
Francesca ein.
»Man muss nicht auf einer Farm aufwachsen und
sich von Milch, Butter und Brot ernähren, um Ambitionen zu entwickeln, eine
Richtung einzuschlagen und einen Funken Verantwortungsgefühl an den Tag zu
legen«, versetzte Andrew barsch. »Oder hast du vielleicht den Grund für die Fesseln vergessen, über die du dich so beklagst – dass du Spielschulden in einer
Gesamthöhe von fast zweihunderttausend Dollar hast?«
Evan lief noch röter an.
»Papa, nicht doch«, flüsterte Francesca. »Er bereut es, sich
derart verschuldet zu haben, wirklich!«
»Tut er das?« Andrew trat hinter seinen Schreibtisch, riss heftig
eine Schublade auf und hielt einen Stapel Papiere in die Höhe. »Diese Schulden
sind neu – ich habe gerade erst Kenntnis davon erlangt. Letzte Woche hast du
weitere verdammte achtzehntausend Dollar Schulden gemacht!«, brüllte er seinen
Sohn an.
Francesca starrte ihren Bruder mit aufgerissenen Augen an. Hatte
er tatsächlich wieder gespielt? Aber er hatte doch versprochen, es nie wieder
zu tun. Wie konnte er nur?
Evan begegnete kurz ihrem Blick und schlug dann in offensichtlichem
Schuldgefühl die Augen nieder. Im nächsten Moment wandte er sich wieder an
Andrew. »Zwinge mich nicht, diese Frau zu heiraten. Ich werde eine Möglichkeit
finden, meine Schulden abzuzahlen – nach und nach. Aber fessele mich nicht an
Sarah Channing.«
Francesca sah Andrew an. »Papa? Es ist die
unpassendste Verbindung, die man sich nur vorstellen kann. Ich mag Sarah sehr,
ich bewundere sie, aber sie ist nicht die Richtige für Evan. Außerdem will sie
überhaupt nicht heiraten, weder ihn noch irgendwen sonst. Bitte, Papa, lass die
beiden ihre getrennten Wege gehen.«
»Sie ist das Beste, was ihm je widerfahren ist!«, rief Andrew.
»Du irrst dich! Sie ist das Schlimmste, was mir je widerfahren
ist!«, protestierte Evan hitzig.
»Und wen hättest du dann gern zur Frau? Vielleicht diese Gräfin
Benevente?«, fragte Andrew.
Evan beruhigte sich. »Daran hatte ich eigentlich noch nicht gedacht,
aber sie ist ledig, und ich denke, wir würden in der Tat gut zusammenpassen.«
»Nur über meine Leiche!«, grollte sein Vater.
»Diese Frau würde dir nichts als Kummer bereiten! Du bist ein Narr, Evan, ein
völliger Narr, nur von einer einzigen Sache beherrscht ... nein, von zweien.
Ich denke, du weißt selbst, von welchen zwei Sachen ich spreche.«
Evans Miene verhärtete sich. »Weißt du was? Für mich ist diese
Angelegenheit erledigt. Ich habe dir wirklich nichts mehr zu sagen.« Damit
wandte er sich ab und ging zur Tür.
»Was zum Teufel soll das heißen?«, rief Andrew ihm nach, ohne
seinen Schreibtisch zu verlassen.
»Nicht«, flüsterte Francesca, den Tränen
nahe.
Evan blieb in der Tür stehen und wandte sich mit einem boshaften
Lächeln um. »Ich bin mit dieser ganzen Angelegenheit fertig.
Ich bin es leid, dein Lakai im Büro zu sein, ich werde Sarah
Channing nicht heiraten, und von diesem Moment an bin ich nicht länger dein
Sohn.«
»Bitte, tu das nicht!«, schrie
Francesca auf und lief zu ihm.
Andrew schritt ebenfalls auf
ihn zu.
Evan rührte
sich nicht von der Stelle.
Unversehens stand Francesca zwischen den beiden Männern – ihrem
Vater, der nur einsfünfundsiebzig groß, aber stämmig gebaut war, und ihrem
hochgewachsenen, schlanken Bruder. Es war keine angenehme Position.
»Willst du damit sagen, dass du die Firma verlässt?«, fragte
Andrew in unheimlich ruhigem Ton.
»Ja.«
»Und dass
du Sarah nicht heiraten wirst?«
»Ja.«
»Dann komme ich nicht für deine
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