Brenda Joyce
lang war Connie von Julia zur perfekten Tochter erzogen worden – von klein auf wurde von ihr erwartet, das
perfekte Kind zu sein, später dann die perfekte Debütantin und nun die
perfekte Ehefrau, Mutter und Gastgeberin. Andererseits ... wenn Julia Connie
helfen konnte, ihr Glück wiederzufinden, wenn ihre Beziehung erneut so werden
konnte, wie sie vor Neils Affäre gewesen war, wäre das wunderbar. »Nun ja –
aber du solltest die Angelegenheit behutsam angehen.«
Julia blickte ihre jüngere Tochter überrascht an. »Das ist ein
außerordentlich kluger Ratschlag, Francesca.«
Ein solches Lob bekam Francesca von ihrer
Mutter nicht alle Tage zu hören, und entsprechend viel bedeutete es ihr.
»Danke, Mama.«
Julia tätschelte ihr die Schulter. »Nun, warum bist du den ganzen
Tag lang durch die Stadt gelaufen, obwohl du dich doch schonen solltest? Und
was redest du da von einem Abendessen mit den Braggs?«
Francesca
erstarrte.
Seufzend fuhr ihre Mutter fort: »Ich bin ausgesprochen misstrauisch,
Francesca. Aber selbst du würdest dich wohl kaum so rasch wieder in
Polizeiangelegenheiten einmischen, nachdem du erst kürzlich nur mit knapper Not
dem Flammentod entronnen bist.«
»Selbstverständlich nicht«, brachte Francesca
heraus.
»Und ich bin entzückt, dass du in solch guter Gesellschaft essen
gehst.« Julia küsste ihre Tochter auf die Wange. »Zieh dein neues
türkisfarbenes Kleid an. Ich bin sicher, es wird ein reizender Abend werden.«
Die Tür zur
Bibliothek ihres Vates stand weit offen. Von allen Räumen im Haus mochte Francesca
diesen am liebsten, und zwar wegen der warmen Atmosphäre,
die dort herrschte. Die Wände waren oberhalb der Holzvertäfelung mit weichem, goldfarbenem Stoff bespannt. Die Fenster hatten
Scheiben aus getöntem Glas und Rahmen aus dem gleichen dunklen Eichenholz, aus
dem auch die Deckenbalken bestanden. Der Schreibtisch ihres Vaters war
ebenfalls aus dunkler Eiche, mit lederbezogener Arbeitsfläche. Dort stand auch
das Telefon.
In diesem Moment jedoch war von Wärme nichts zu spüren, obwohl im
Kamin ein Feuer prasselte. Denn gerade rief Evan mit zornrotem Gesicht aus:
»Und wenn du deine Meinung nicht änderst, wirst du die Konsequenzen
tragen!«
Andrew war nicht weniger aufgebracht. »Drohst du mir etwa?«, stieß
er hervor.
»Ja, allerdings«, versetzte Evan kalt. Er war
einsachtzig groß, hatte den gleichen hellen Teint wie seine Schwester Connie,
jedoch rabenschwarzes Haar. Seine blauen Augen funkelten geradezu
mordlüstern. »Wie du mir, so ich dir, nicht wahr, Vater? Ist es nicht
angemessen, Erpressung mit Drohungen zu vergelten?«
Francesca stürmte fassungslos in den Raum.
»Halt! Aufhören! Was ist hier los? Was soll das alles?«, rief sie. Der schiere
Hass in dem hübschen Gesicht ihres Bruders verursachte ihr Übelkeit.
»Er wagt es, mir zu drohen!«, polterte Andrew, dessen Kopf nun
einen leuchtenden, höchst unvorteilhaften Purpurton angenommen hatte. Er war
ein stattlicher Mann mit gutmütigem Gesicht und einem buschigen Schnurrbart.
»Ich verteidige lediglich meinen Standpunkt. Er wünscht mein
gesamtes weiteres Leben zu ruinieren, indem er mich zwingt, eine Frau zu
heiraten, die ich niemals mögen, geschweige denn lieben werde. Wenn er seine
Meinung nicht ändert, ist es aus zwischen uns, das schwöre ich.«
Francesca hatte das Gefühl, jemand habe ihr
einen Schlag versetzt. Andrew empfand offenbar ganz ähnlich, denn er schwankte,
als sei ihm schwindelig. Francesca lief zu ihm und fasste seinen Arm, um ihn
zu stützen. »Evan, das ist doch nicht dein Ernst.«
»Es ist mein voller Ernst. In vier Monaten soll ich mit Sarah
Channing vor den Altar treten. In vier Monaten soll für mich ein Leben in
Ketten und Fesseln beginnen, ein freudloses, elendes Leben. Und das werde ich
nicht zulassen.« Seine blauen Augen wirkten nun beinahe schwarz.
Andrew Cahill schüttelte Francescas Hand ab. »Du hast seit beinahe
einem Monat nicht mehr mit mir gesprochen. Nun wagst du es, herzukommen und mir
mitzuteilen, dass du nicht länger mein Sohn bist, wenn ich diese Heirat nicht
absage?«
»Ja, ich wage es«, versetzte Evan unnachgiebig.
»Ich tue das doch gerade, weil du mein Sohn bist! Ich tue
es, weil du mit fast fünfundzwanzig Jahren noch immer keinen Weg in deinem
Leben gefunden hast, der nicht in Spelunken und Spielhöllen führt. Und zu
billigen Frauen!«
Evan verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wir können nicht alle so sein wie du, Vater. Wir können
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