Brenda Joyce
locker. So etwas wollte sie nicht hören, o nein. Bei Hart konnte man nie
wissen, was als Nächstes kam. »Lieber nicht«, keuchte sie.
»Ich bin dieses scheinheilige Getue leid«, versetzte er in warnendem
Ton.
»Ich ... ich verstehe nicht!«
»Nein? Das denke ich aber doch! Sie reden pausenlos von meinem
Bruder – den Sie lieben, wie Sie selbst gesagt haben, denn schließlich
ist er ein tugendhafter Mann und eine ganz und gar respektable Wahl, bis auf
die Tatsache, dass er unglücklich verheiratet ist. Aber nun kommen Sie hierher
und starren mich an wie ein Ausstellungsstück im Kuriositätenkabinett – dabei
sind wir uns doch beide darüber im Klaren, wie es sich in Wirklichkeit
verhält, nicht wahr, Francesca?«
Sie schrie auf: »Lassen Sie
mich los!«
»Ich habe verstanden! Sie wollen Rick als Ehemann, aber ich bin
der Mann, mit dem Sie ins Bett wollen. Geben Sie es zu«, knurrte er.
»Nein, das
ist nicht wahr!«, protestierte sie aufgebracht und voller Panik.
»Haben Sie
Angst, Francesca? Angst vor der echten Frau, die in Ihnen steckt?«, schnurrte er.
»Vor Ihnen habe ich
Angst!«, versetzte sie.
»Das
glaube ich nicht. Nicht ich bin es, vor dem Sie sich fürchten.
Ich denke, Sie fürchten sich vor der Wahrheit. Ich denke, Sie fürchten sich vor
sich selbst.« Endlich ließ er sie los. Er atmete schwer, und Francesca sah das
Blut in seiner Halsschlagader pulsieren.
Sie wich
zurück. »Sie sind wahnsinnig. Eitel. Eingebildet. Arrogant!«
»Wollen Sie
mir nicht die Gelegenheit geben auszureden?« Seine Augenbrauen zuckten
gleichzeitig in die Höhe, und auf unerklärliche Weise wirkte er
plötzlich unschuldig wie ein Lamm.
»Nein, denn ich gehe jetzt.«
Sie wirbelte herum – doch seine nächsten
Worte ließen sie auf der Stelle erstarren.
»Sie
fühlen sich zu mir hingezogen, meine Liebe, und zwar auf die
Art, wie Frauen sich zu Männern hingezogen fühlen.«
Francesca bebte am ganzen
Körper. »Bitte hören Sie auf«, flehte sie verzweifelt.
Er schlich um sie herum und
blieb vor ihr stehen. »Und das macht Ihnen Angst. Ich mache Ihnen Angst. Sie
fürchten sich vor dem, was Sie empfinden. Wahre Begierde erschreckt Sie!«
»Ich liebe Bragg.«
Auf Harts Gesicht zeichnete sich ein Ausdruck unterdrückten Zornes
ab, wie sie ihn noch nie gesehen hatte, doch eine halbe Sekunde später war er
wieder verschwunden. »Ich glaube, Sie erfinden Geschichten, Francesca. Sie sind
eine meisterhafte Geschichtenerzählerin.«
»Lassen Sie
mich in Ruhe«, bat sie noch einmal.
»Nein, ich werde diese Sache nicht auf sich beruhen lassen. Ich
habe Ihnen nicht nachgestellt, meine Liebe – Sie sind zu mir gekommen.«
Er hatte Recht – wieder einmal. »Belassen wir es einfach dabei,
wie es ist, Hart. Wir sind doch Freunde, nicht wahr?«
Seine Augen wanderten über ihr Gesicht, als wolle er alle Einzelheiten
in sich aufnehmen. Immerhin besaß er den Anstand, den Blick nicht tiefer
gleiten zu lassen. »Ja, wir sind Freunde. Aber da ist noch mehr, und sich das
nicht einzugestehen ist pure Heuchelei.«
Sie schüttelte den Kopf. Eher wäre sie gestorben, als zuzugeben,
dass er Recht hatte.
»Was ist los, Francesca? Fürchten Sie etwa, dass Ihr eigenes
Lügengebäude vor Ihren Augen zusammenbricht?«
Sie schnappte nach Luft – das, was er da ausdrückte, war noch viel
grausamer als die Art, wie er es sagte.
Er hob ihr Kinn mit den Fingerspitzen an. Als sie sich abwenden
wollte, hielt er ihr Gesicht mit einer Hand fest. »Sie haben sich eingeredet,
Sie hätten Ihren Ritter in schimmernder Rüstung gefunden – meinen Bruder Rick.
Ist es nicht so? Sie sind ihm begegnet, er entsprach Ihren Vorstellungen, also
haben Sie sich selbst eine wunderbare
Geschichte zurechtgesponnen und – starrköpfiges Ding, das Sie sind – sich
seither daran geklammert. Was könnte auch passender sein für Francesca Cahill,
die Reformistin aus Leidenschaft, als sich in meinen reformeifrigen,
republikanisch gesinnten Bruder zu verlieben? Doch halt! Da dies schließlich
eine Liebesgeschichte ist, muss es eine unglückliche Wendung geben – und siehe
da, der perfekte Held ist in Wahrheit gar nicht so perfekt. Weil er nämlich verheiratet ist. Oh, warten Sie ... so schlimm ist es auch wiederum nicht, denn wie
sich herausstellt, ist er eben doch ein Mann von Tugend. Er liebt Sie wirklich,
während er seine Frau verabscheut! Vergaß ich etwa zu erwähnen, dass sie
boshaft und heimtückisch ist? Die Geschichte kann also weiter dahinhinken,
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