Brenda Joyce
des
Wetters. Im Lichtschein der Gaslampen vor dem Hotel und der Straßenlaternen sah
man die einzelnen Schneeflocken in der Luft tanzen.
Während der Kutschfahrt zum Hotel hatte Francesca Evan berichtet,
was in Sarahs Atelier vorgefallen war. Er hatte besorgt reagiert, hielt
Francescas Theorie von der verschmähten Braut jedoch für absurd – er konnte
sich nicht vorstellen, dass eine junge Dame aus seiner Bekanntschaft sich
solche Hoffnungen gemacht haben sollte, seine Braut zu werden, dass sie vor
lauter Enttäuschung Sarahs Atelier verwüstet hatte.
Nun, da Francesca neben Evan die Stufen zum
Eingang hinaufstieg, war sie sich ihrer wachsenden inneren Anspannung deutlich
bewusst. Sie hatte das dringende Bedürfnis, in der Garderobe in den Spiegel zu
schauen, da ihr kaum fünfzehn Minuten geblieben waren, um ihr Abendkleid
anzuziehen und sich zurechtzumachen. Ihr Haar hatte sie nur hastig aufgesteckt
– es mit der Brennschere in Wellen zu legen hätte zu lange gedauert. Im letzten
Moment hatte sie noch ein Töpfchen Rouge eingesteckt, um sich in der Kutsche
die Lippen zu schminken. Evan war davon wenig angetan gewesen.
Jetzt flüsterte er ihr ins Ohr: »Du wirkst so nervös und unsicher.
Ich mache mir beinahe ein wenig Sorgen um dich, Fran.«
Sie lächelte ihn an. »Ich freue mich lediglich auf einen Abend,
der ungemein interessant zu werden verspricht.«
»Nein, du freust dich darauf, den
Polizei-Commissioner zu sehen, und das, obwohl du weißt, dass er verheiratet
ist. Neulich abends, als Bartolla seine Frau erwähnte, warst du nicht einmal
überrascht – du wusstest bereits davon! Was denkst du?«, wollte er wissen.
Die beiden hatten das Foyer betreten – einen weitläufigen Raum mit
hoher Decke, gewaltigen Säulen und einem Atrium in der Mitte. Rechts von
Francesca befand sich der Empfangstresen aus schimmerndem Walnussholz mit
Intarsien aus blassem, geädertem Marmor. Geradeaus, am anderen Ende des
Foyers, lag das außerordentlich beliebte und elegante Restaurant. Als Francesca
es zum letzten Mal betreten hatte, war sie nicht zum Essen hergekommen – Hart
hatte ihrer Schwester nachgestellt, und sie, Francesca, war den beiden gefolgt,
um Connie vor einem schweren Fehltritt zu bewahren.
Nun kam es ihr vor, als läge es schon Ewigkeiten zurück, dass
Calder ein Auge auf ihre Schwester geworfen hatte. Dennoch bereitete ihr die
bloße Erinnerung daran noch immer entsetzliches Unbehagen, auch wenn er – auf
ihre nachdrückliche Forderung hin – von Connie abgelassen hatte.
»Fran? Hörst du mir überhaupt zu?«
»Eigentlich nicht«, gestand sie und lächelte ihn an. »Dort drüben
sind sie.« Plötzlich stockte ihr Schritt.
Die Braggs hatten an einem Tisch im Atrium Platz genommen und
bekamen gerade Champagner serviert. Zuerst fiel Francescas Blick auf den
Commissioner.
Er trug eine weiße Smokingjacke, dazu eine mitternachtsschwarze
Hose und saß auf einem kleinen Zweiersofa neben Lucy. Seine Miene war
gedankenverloren, als sei er im Geiste meilenweit entfernt. Francesca ahnte,
dass er über Polizeiangelegenheiten grübelte oder vielleicht sogar über die
Ermittlungen im Fall Channing. Das Licht des Kronleuchters über ihm spielte auf
den hellen Strähnen in seinem goldbraunen Haar und hob seine hohen
Wangenknochen hervor. Francesca überkam ein unsäglich warmes Gefühl. Sie vertraute
diesem Mann so sehr.
Doch in das Gefühl mischte sich ein Anflug von schlechtem Gewissen.
Selbstverständlich würde sie ihm von Leigh Annes Brief erzählen müssen –
eigentlich hätte sie gleich an dem Tag, als sie die Nachricht erhielt, mit ihm
darüber sprechen sollen. Wenn er sie heute
Abend nach Hause brächte, so fiel ihr ein, dann würden sie unter sich sein –
das wäre eine günstige Gelegenheit.
Als er sich um eine Winzigkeit zur Seite
wandte, bemerkte er sie, und ihre Blicke trafen sich. Sofort veränderte sich
sein Gesichtsausdruck.
Im nächsten Moment war er auf den Beinen und lächelte ihr
entgegen. Mit langen, geschmeidigen Schritten ging er auf sie zu. Francesca
nahm vage wahr, wie sich die übrigen Familienmitglieder ihr zuwandten, während
sie sich alle Mühe gab, ruhig und gelassen zu erscheinen.
Doch hinter dieser Fassade herrschte
entsetzlicher innerer Aufruhr.
Bragg blieb vor ihr stehen. »Guten Abend, Cahill«, murmelte er
Evan zu und streifte ihn nur flüchtig mit einem gleichgültigen Blick. »Guten
Abend, Francesca.« Sein Ausdruck wurde wärmer. »Darf ich Ihnen den
Weitere Kostenlose Bücher