Brenda Joyce
Sarahs Atelier wurde nur ein einziges Bild zerstört, und zwar ein
Porträt von Bartolla. Vielleicht – ich betone: vielleicht – galt der Akt
des Vandalen eigentlich der Gräfin und nicht Ihrer Verlobten.«
Evans Augen weiteten sich. »Schwebt sie in
Gefahr?«
Bragg zögerte, offenbar unsicher, auf welche der beiden Frauen
sich Evans Frage bezog. Francesca war klar, dass er Bartolla meinte, da sie
selbst ihm bereits versichert hatte, Sarah gehe es gut und ihr scheine keine
Gefahr zu drohen. Allerdings hatte sie die Worte eher mechanisch hervorgebracht
– bei der bloßen Erinnerung an die viele dunkelrote Farbe überlief sie ein
Schauder böser Vorahnung. »Weder Sarah noch Bartolla scheinen unmittelbar
bedroht zu sein.«
Evan entfernte sich mit düsterer, sorgenvoller
Miene. »Sie müssen Mr Bragg sein«, sagte er zu Rathe, während er dem älteren
Mann die Hand entgegenstreckte. Als sich die beiden begrüßten, sprang Lucy
rasch auf, um sie miteinander bekannt zu machen.
Francesca wandte sich wieder dem Commissioner zu. »Es ist so viel
geschehen«, flüsterte sie hastig, wobei sie an das entsetzliche Zerwürfnis
zwischen Evan und ihrem Vater dachte. »Ich muss mit Ihnen reden.« Die Nachricht
von seiner Frau ging ihr ebenfalls nicht aus dem Sinn.
»Geht es Ihnen gut?«
Sie schüttelte den Kopf. »Bieten Sie nach dem Essen an, mich nach
Hause zu bringen«, bat sie ihn. »Das verschafft uns eine Gelegenheit, ungestört
miteinander zu sprechen.«
Er spannte die Kiefermuskeln an. »Das halte ich für keine gute
Idee«, erwiderte er knapp.
»Bitte«, beharrte sie. »Sonst sind wir gewiss keinen einzigen Moment
lang unter uns. Nun, da Ihre Familie in der Stadt weilt, wird es schwerer denn
je werden, ein vernünftiges Gespräch miteinander zu führen.«
Bragg fasste Francesca am Ellenbogen, und die
beiden gingen ein paar Schritte beiseite. »Es ist schon schwer genug, in ihrem
Beisein mit Ihnen zusammen zu sein«, sagte er leise und bedrückt. »Aber Sie
haben Recht. Wir müssen miteinander reden.«
Beunruhigt fragte sie: »Wie meinen Sie das?«
»Nun, Sie wünschen mit mir zu sprechen, und ebenso wünsche ich mit
Ihnen zu sprechen.«
»Worüber denn?« Francesca war nun mehr als alarmiert – sie war
geradezu verängstigt.
Er wusste, dass Leigh Anne sich auf dem Weg
nach New York befand. Er wusste, dass sich seine Frau mit ihr treffen wollte.
Er hatte von ihrer Begegnung mit Hart gehört.
jedenfalls wusste er etwas Schlimmes, und sie fürchtete sich vor
seiner Reaktion.
Er schien überrascht. »Francesca, dies ist weder der geeignete
Zeitpunkt noch der geeignete Ort für eine ernsthafte Unterredung zwischen uns
beiden.«
Er wollte sich abwenden, doch sie fasste seine
Hand und hielt ihn zurück. »Geht es um uns beide?«, erkundigte sie sich sehr
leise.
»Ja«, erwiderte er, entzog ihr seine Hand und ging zurück zu den
anderen. Francesca indessen vermochte sich nicht von der Stelle zu rühren.
Ein Gedanke war ihr in den Sinn gekommen, doch
er war so entsetzlich, dass sie ihn nicht zulassen mochte. Dennoch ließ er
sich nicht verscheuchen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte Bragg behauptet, mit
ihr allein zu sein stelle seine Standhaftigkeit und Willenskraft auf eine allzu
harte Probe. Was, wenn er beschlossen hatte, dass es unmöglich sei, einfach
nur mit ihr befreundet zu sein?
Einmal hatte er die Möglichkeit angesprochen, sie sollten sich
vielleicht besser niemals wiedersehen. Denn es sei zu gefährlich, zusammen zu
sein.
»Ich glaube, wir sind uns noch nicht begegnet«, riss eine Männerstimme
Francesca aus ihren düsteren Gedanken.
Sie fuhr zusammen und sah sich dem Mann
gegenüber, der Rick Bragg wie ein Zwillingsbruder ähnelte. Sein Haar war
dunkler – eher braun als blond – und sein Gesicht kantiger. Doch im Übrigen sah
er genauso aus, von den bernsteinfarbenen Augen mit den dunklen Brauen über
die auffallend hohen Wangenknochen bis hin zu den Grübchen in Wangen und Kinn.
»Ich bin Francesca Cahill«, stellte sie sich mit unsicherer Stimme vor.
Er lächelte – ein Lächeln, das Frauenherzen zum Schmelzen bringen
konnte. »Die berüchtigte Detektivin. Ich bin Rourke, der Älteste nach meinem
nichtsnutzigen Polizisten-Bruder.« Er streckte ihr die Hand entgegen.
Sie schlug ein und versuchte unterdessen, sich zu sammeln.
»Rourke? Welch ungewöhnlicher Name.«
»Es ist mein zweiter Vorname. Ich wurde es bereits im Alter von
sechs Jahren leid, regelmäßig Prügel einzustecken bei
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