Brenda Joyce
Ich werde sie
bitten, in die Scheidung einzuwilligen. Wenn sie zustimmt, kann sie von mir aus
mein letztes Hemd haben. Wenn nicht, werde ich nicht aufhören zu kämpfen, bis
ich mein Ziel erreicht habe. Und dann werde ich dich heiraten«, fügte er hinzu.
»Francesca, willst du mich heiraten?«
Sie blickte ihn an und schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Ich
kann nicht«, antwortete sie.
Kapitel 9
SAMSTAG,
15. FEBRUAR 1902 – MITTERNACHT
Seine Augen weiteten sich. »Wie?«
Sie holte tief Luft und legte ihre Hand auf
seine. »Ich kann nicht zulassen, dass du dich von ihr scheiden lässt«, erklärte
Francesca.
Er entzog
ihr seine Hand. »Warum nicht?«
»Weil es das Ende deiner politischen Karriere bedeuten würde«,
erwiderte sie. Sein Gesicht war so versteinert, dass sie Angst bekam.
»Ich verstehe.«
»Nein, ich glaube, du verstehst es nicht! Ich kann nicht zulassen,
dass du dich von Leigh Anne scheiden lässt, weil du damit alles zunichte machen
würdest, wovon du geträumt und wofür du dein ganzes Leben lang gearbeitet hast!
Damit könnte ich nicht leben, Bragg – es wäre so selbstsüchtig, dass ich mir
selbst zuwider sein müsste!«
Seine Kiefermuskeln traten vor Anspannung hervor. »Liegt diese
Entscheidung nicht bei mir?«
»Ich würde
es mir nie verzeihen, und womöglich würdest du mich irgendwann dafür hassen!«,
stieß Francesca hervor.
»Wie könnte
ich dich jemals hassen!« Er starrte sie so eindringlich an, dass sie sich unter
seinem Blick wand. Seine Augen wurden schmal. »Gibt es etwa einen anderen, den
du heiraten möchtest?«
»Nein! Das
ist eine völlig absurde Frage!« Doch ihr Unbehagen wuchs, denn ihr war klar, in
welche Richtung sich ihr Gespräch nun entwickeln würde.
»Ist es das? Ich meine mich zu erinnern, dass ein gewisser berühmt-berüchtigter
Kunstsammler darauf brennt, ein Porträt von dir zu bekommen«, versetzte Bragg
eisig.
»Lass Hart aus dem Spiel«, entgegnete Francesca warnend. »Er hat
nichts damit zu tun, wie sehr ich dich liebe.«
»Liebst du mich tatsächlich? Du wärest nicht die erste Frau, die
einen geschiedenen Mann heiratet.«
»Gerade weil ich dich liebe, kann ich dein Angebot nicht
annehmen«, beharrte Francesca. Ihr war übel, die Welt schien sich zu drehen –
aber in die falsche Richtung. Sie hatte gerade einen Heiratsantrag des Mannes,
den sie liebte, abgewiesen. Wie hatte sich ihr Leben nur so entwickeln können?
Bragg schwieg einen Moment lang, dann forderte er in kühlem Ton:
»Halte dich von Calder fern.«
Francesca traute ihren Ohren kaum. »Was?«, stieß sie
hervor. »Was hat Calder mit alldem zu tun?«
»Seit sein Vater ermordet wurde, drängt er sich ständig zwischen
uns«, versetzte Bragg nüchtern. »Seit ihr beide euch zum ersten Mal begegnet
seid.«
Sie starrte ihn fassungslos an, wollte beteuern, er irre sich und
Hart stünde keineswegs zwischen ihnen, doch sie brachte kein Wort heraus. Nicht
nach der grässlichen Begegnung, die sie erst vor Stunden mit Braggs Halbbruder
gehabt hatte. Nicht nachdem er zu ihr gesagt hatte, er hätte sie gern in
seinem Bett, werde es aber niemals dazu kommen lassen, weil ihm ihre Freundschaft
zu wertvoll sei. »Er ist ein Freund, weiter nichts«, beteuerte sie schließlich
und hörte selbst mit Entsetzen, wie jämmerlich schwach das klang.
»Hör auf. Du kannst dir noch so lange einreden, seine Absichten
seien rein platonisch. Meinetwegen kannst du dir das selbst vorlügen, bis du
schwarz wirst – aber nicht mir.«
»Es ist nicht gelogen«, protestierte sie. »Bezichtige mich nicht
der Lüge!«
Bragg atmete tief durch. »Es tut mir Leid. Offenbar ist es dir gelungen,
dir selbst einzureden, es sei die Wahrheit. Ich will mich nicht mit dir
streiten, Francesca. Aber ich traue meinem Halbbruder nun einmal nicht über
den Weg. Er täte nichts lieber, als mir ein Messer in den Rücken zu rammen –
und mir die Frau, die ich liebe, vor der Nase wegzuschnappen.«
»Das ist nicht wahr.«
»Ach nein? Du scheinst Calder ja sehr gut zu kennen.« Er blickte
sie von der Seite an. »Wie immer verteidigst du ihn blindlings. Wann wirst du
je begreifen? Man kann ihm nicht trauen, Francesca. Auch du nicht.«
Francesca erwiderte nichts. Bragg irrte sich. Seltsamerweise
traute sie Calder tatsächlich, und nun wurde ihr klar, dass er Recht gehabt
hatte: Sie selbst war diejenige, der sie nicht trauen konnte, wenn sie beide
zusammen waren. Es war eine grässliche Erkenntnis, erst recht in diesem
Weitere Kostenlose Bücher