Brenda Joyce
fürchterliche
Lage!«
»Und ich hatte geglaubt, Sie würden unsere
Freundschaft ebenso wertschätzen wie ich«, sagte er mit scharfem Tonfall.
»Das tue ich doch auch!«, rief sie verzweifelt. »Es war dumm von
mir, so etwas zu sagen, Hart. Ich habe es nicht so gemeint!« Und jetzt war sie
es, die die Hände ausstreckte, um sein Gesicht zu umfassen. »Hart! Ich habe es
wirklich nicht so gemeint!«
Er schüttelte sie ab. »Drohen Sie mir niemals, meine Liebe. Und
eins sollten Sie wissen: Ich bin ein sehr eigensinniger Mensch. Und auch ein
sehr geduldiger. Wenn Sie einmal in Ruhe darüber nachdenken, dürfte Ihnen klar
werden, dass wir gut miteinander auskommen könnten – und dass ich Ihnen einen
Ausweg aus diesem fürchterlichen Schlamassel biete, in den Sie sich da
hineingeritten haben.« Er richtete sich auf und deutete zur Tür – eine
Aufforderung für sie, zu gehen. »Es war ein sehr unterhaltsamer Morgen, aber
leider wartet heute sehr viel Arbeit auf mich. Ich wünsche Ihnen einen schönen
Tag, Francesca.«
Es gelang ihr irgendwie, sich ohne seine Hilfe aufzurappeln.
»Hart ...« Sie hasste es, Unterhaltungen auf eine solche Weise enden zu lassen.
Sie brauchte sein Lächeln, selbst wenn es nur ein süffisantes war und er sie
spöttisch »meine Liebe« nannte.
»Auf Wiedersehen.« Sein Tonfall war unmissverständlich und duldete
keinen Widerspruch. »Alfred! Begleiten Sie Miss Cahill hinaus.« Und nachdem
Alfred den Salon durch eine der beiden Teakholztüren betreten hatte,
marschierte Hart mit langen, schnellen Schritten aus dem Salon.
Francesca schlang die Arme um ihren Körper. Warum nur gerieten sie
immer aneinander? Die Antwort lag auf der Hand. Weil er unglaublich stur war
und sich immer im Recht glaubte.
Aber sie hatte dummerweise damit gedroht, ihre Freundschaft zu
beenden. Wie hatte sie nur so etwas sagen können, ohne es wirklich zu meinen?
Was wäre, wenn sie ihn nun derart gegen sich aufgebracht hatte, dass er von
sich aus ihre Freundschaft aufkündigte? Sie schluchzte tief auf.
»Du meine Güte. Hier, Miss Cahill.« Alfred reichte ihr ein frisch
gewaschenes und gebügeltes Taschentuch.
Francesca nahm es und betupfte sich damit die Augen. »Er ist so
schrecklich wütend auf mich«, flüsterte sie, und im selben Augenblick wurde ihr
bewusst, wie unerträglich dieser Gedanke war. So seltsam es auch scheinen
mochte, sie brauchte Hart als einen treuen und unerschütterlichen Freund. Aber
ganz offensichtlich war es ihr nicht gelungen, ihn davon zu überzeugen. Großer
Gott, er beabsichtigte immer noch, sie zu heiraten. Was sollte sie nur tun?
Sie schloss
die Augen. »Ich glaube, ich muss ihm nachgehen«, sagte
sie mit heiserer Stimme.
»Aber,
aber, Miss Cahill, es ist doch nichts Schlimmes passiert«, erwiderte Alfred
freundlich.
»Da irren
Sie sich«, sagte Francesca.
»Mr. Hart vermag Ihnen nicht
lange böse zu sein, Miss Cahill«, beruhigte Alfred sie mit einem wissenden
Lächeln.
»Das
verspreche ich Ihnen.«
Francesca
blickte ihn an. »Er möchte mich heiraten, Alfred!«
»Ich
weiß.« Alfred strahlte. »Er hat es mir gestern Abend gesagt.«
Kapitel 4
MITTWOCH, 19. FEBRUAR 1902 – 9:00 UHR
Francesca hatte
dem Dienstboten gerade ihren Mantel gereicht und wollte durch die
Eingangshalle eilen, um anschließend ins Frühstückszimmer zu schlendern, als
sei sie soeben zum ersten Mal an diesem Morgen heruntergekommen. Aber ihr
Vater betrat ausgerechnet in diesem Moment mit dem Herald in der Hand
die Halle. Seine Augen wurden groß vor Überraschung, als er sie erblickte.
»Francesca! Wo bist du denn schon in aller Frühe gewesen?«
Ihre Gedanken überschlugen sich, und sie
schenkte ihm erst einmal ein strahlendes Lächeln. Er würde ihr wohl kaum
glauben, dass sie einen Spaziergang unternommen hatte, da es draußen eiskalt
war. »Guten Morgen, Papa«, sagte sie und bemerkte, dass er ungewöhnlich müde
aussah. »Ist Evan wach? Und wie geht es dir heute Morgen?«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, gab
Andrew zurück und kam auf sie zu. Er war von mittlerer Größe und ein wenig
korpulent, aber er hatte gütige Augen und war der klügste Mensch, den Francesca
kannte. Hinter seinem freundlichen Äußeren verbarg sich ein rasiermesserscharfer
Verstand, hinter seiner gelassenen Haltung ein entschlossener und
willensstarker Charakter.
Francesca seufzte. »Ich hatte eine persönliche
Angelegenheit zu klären, Papa. Könnten wir es bitte dabei belassen?«
Andrew war an ihrer
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