Brenda Joyce
Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen,
um ihren Mund hatten sich tiefe Falten eingegraben und ihre blauen Augen waren
trüb vor Kummer und Sorge.
»Ich konnte nicht schlafen. Ich habe mich die ganze Nacht hin und
her gewälzt und habe ein Dutzend Mal nach Evan gesehen. Aber es geht ihm heute
Gott sei Dank schon besser«, sagte Julia.
Francesca trat zu ihr, nahm sie in die Arme und hielt sie fest,
als sei sie die Mutter und Julia das Kind – etwas, das sie noch niemals zuvor
getan hatte. »Es wird schon alles gut werden. Evan befindet sich auf dem Weg
der Besserung«, sagte sie und blickte an ihrer Mutter vorbei zu Evan und
Maggie hinüber.
Trotz seiner Verletzungen und der schwarzen
Augenklappe sah Evan immer noch sehr gut aus. Maggie bot ihm ein Glas Wasser
an und hielt es ihm an den Mund, während sie seinen Kopf mit einer Hand
stützte. Evan lächelte sie an und verzog dann das Gesicht. »Vielen Dank, Mrs.
Kennedy. Sie müssen wirklich nicht das Kindermädchen spielen. Ich fühle mich
heute Morgen schon viel besser.«
»Schsch«, murmelte sie, setzte
das Wasserglas auf dem Nachttisch ab und stand auf. »Sie sind noch lange nicht
wieder gesund.« Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln, aber auch in ihrem
Gesicht spiegelte sich Besorgnis wider. Evan blickte zu ihr auf. »Sie sind sehr
freundlich zu mir. Behandeln Sie alle Männer, die in eine Schlägerei geraten,
derart liebenswürdig?«
Ihr Lächeln vertiefte sich. »Gemeinhin nicht, Mr. Cahill, da ich
Faustkämpfe nicht gutheiße.« Ihr Gesicht bekam einen weicheren Ausdruck. »Aber
Sie und Ihre Familie sind sehr freundlich zu mir und meinen Kindern gewesen. Da
kann ich doch zumindest dieses Wenige tun.«
Evan
lächelte wieder und ächzte dann vor Schmerz.
»Ich werde Sie jetzt allein lassen«, sagte Maggie leise und
rauschte in ihrem taillierten, marineblauen Kostüm, das sie ohne Zweifel selbst
genäht hatte, an ihnen vorbei. Eine schneeweiße Hemdbluse aus Batist lugte
unter der Kostümjacke hervor und die Farbkombination passte wunderbar zu
ihrem roten Haar. Seit Maggie ins Haus der Cahills gekommen war, hatte sie sich
sehr zu ihrem Vorteil verändert. Sie schien immer jünger zu werden und sah nun
ihrem tatsächlichen Alter entsprechend wie eine Frau von Mitte bis Ende zwanzig
aus. Als Francesca ihr zum ersten Mal begegnet war, hatte sie infolge der
Torturen ihres Lebens so verhärmt gewirkt, dass kaum zu erkennen gewesen war,
ob sie zwanzig oder fünfzig Jahre zählte.
Francesca wunderte sich wieder einmal aufs Neue über ihren Bruder.
Er war ein Gentleman. Ja, er mochte eine Schauspielerin
zur Mätresse genommen haben, aber er war im Grunde ein anständiger Kerl
– sie wusste, dass er niemals etwas mit einem Hausmädchen anfangen würde.
Maggie war natürlich kein Hausmädchen, aber
sie war eine Näherin und arbeitete tagsüber in der Fabrik von Moe Levy.
Evan war zwar derzeit in Bartolla Benevente vernarrt, eine
ausgesprochen verführerische, verwitwete Gräfin, aber Maggie schien sich sehr zu Francescas Bruder hingezogen zu
fühlen. Das bereitete Francesca langsam Sorgen. Vielleicht sollte sie Evan raten,
etwas vorsichtiger in seinen Reaktionen auf den hübschen Rotschopf zu sein.
Francesca mochte Maggie sehr und wollte nicht, dass man ihr wehtat.
»Vielen Dank, dass Sie mir die Zeitung vorgelesen haben, Mrs.
Kennedy!«, rief Evan ihr leise nach.
Maggie blieb an der Tür stehen. »Es war mir
ein Vergnügen, Mr. Cahill.« Sie schenkte ihnen allen noch ein Lächeln,
senkte dann den Kopf und verschwand.
Julia setzte sich nun neben Evan auf die Bettkante. Sie nahm seine
Hand in die ihre, sagte aber nichts.
»Es geht mir gut, Mutter«, beruhigte Evan sie und lächelte trotz
der Schmerzen in seiner aufgesprungenen Lippe, ohne ein Stöhnen von sich zu
geben.
»Es geht dir nicht gut. Und du bist ein
Gentleman und ein Gentleman schlägt sich nicht, schon gar nicht in irgendeinem
Saloon«, erklärte Julia kategorisch und mit einer gewissen Verzweiflung in der
Stimme.
»Ich habe mir wieder einmal einen schrecklichen Schnitzer
geleistet, was zweifellos auf meinen entsetzlich fehlerhaften Charakter
zurückzuführen ist«, sagte Evan.
»Evan, lass das«, mischte sich Francesca ein, die wusste, dass er
sich mit seinen Worten über seinen Vater und dessen Meinung von ihm lustig
machte.
»Ist es nicht genau das, was Vater sagt?«, wollte Evan mit
plötzlich aufflammender Wut wissen. »Und das nur, weil ich nicht länger bereit
bin, auf Kommando zu
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