Brenda Joyce
Lächeln.
Abigail Channing bedeutete ihren Besuchern rasch, einen riesigen,
exotisch eingerichteten Salon zu betreten – in dem Francesca jedes Mal, wenn
sie dort weilte, damit rechnete, dass das auf dem Boden liegende Bärenfell
inklusive Kopf und Fängen aufspringen und sie anfallen würde –, und bot ihnen
eine Erfrischung an.
Bragg lehnte ab. »Mrs. Channing, wir ermitteln
immer noch bezüglich des Vorfalls letzte Woche in Sarahs Atelier. Wir müssen
noch einmal mit Ihrer Tochter sprechen«, erklärte er.
»Wie geht es Sarah?«, erkundigte sich
Francesca.
»Schon viel besser«, antwortete Mrs. Channing. »Sie war heute
Morgen schon sehr früh auf. Dieser Rourke Bragg ist wirklich ein ganz
wundervoller Doktor!« Sie strahlte. »Und ein so stattlicher Mann noch dazu!«
Francesca entschied sich, sie nicht darauf
hinzuweisen, dass Rourke noch kein rechtmäßiger Doktor war. Als Mrs. Channing
gegangen war, um Sarah zu holen, sagte Francesca an Bragg gewandt: »Eins geht
mir nicht mehr aus dem Sinn.«
Er lächelte. Dabei lag ein weicher, warmer Ausdruck in seinen
bernsteinfarbenen Augen. »Ich bin ganz Ohr.«
Sie erwiderte sein Lächeln und ihr Herz vollführte einen Hüpfer
angesichts des Blickes, den er ihr zuwarf. »Die Rosen in Miss Nevilles
Wohnung. Sie waren bereits ganz geöffnet. Eine oder zwei sogar bereits
verblüht. Das bringt mich zu dem Schluss, dass sie einen oder zwei Tage zuvor
gekauft wurden. Zwei Tage halte ich für wahrscheinlicher, und das wäre demnach
am Tag von Miss Conways Ermordung gewesen. Irgendjemand hat Miss Neville Blumen
mitgebracht, Bragg. Sie hat einen Verehrer.«
»Es sei denn, die Vase war leer und Miss
Conway trug die Rosen bei sich, als sie ermordet wurde«, sagte er. »Und
angesichts all der bewundernden Briefe, die wir in ihrer Wohnung gefunden
haben, würde mich das nicht erstaunen.«
Das war ein Argument. »Bragg, ich beginne mir langsam Sorgen zu
machen. Könnte es nicht sein, dass sich Miss Neville versteckt hält? Mir ist
der Gedanke gekommen, dass sie möglicherweise Zeugin von Miss Conways Ermordung
wurde – und dass sie weiß, wer der Mörder ist.«
»Francesca, wir wissen nicht, ob sie sich versteckt hält, noch ob
sie irgendetwas gesehen hat. Vielleicht kam sie nach Hause, bevor der Mord geschah, und ist dann noch einmal
ausgegangen.« Aber sein Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er selbst nicht an
diese letzte Theorie glaubte.
»Und wo steckt sie dann? Warum ist sie nicht nach Hause gekommen?
Hält sie sich bei einem Geliebten auf? Irgendeiner der Nachbarn weiß doch
vielleicht, ob sie eine Beziehung zu einem Mann pflegt.« Dann kam ihr ein neuer
Gedanke. »Wir sollten uns in den Kunstgalerien nach jemandem umhören, der sie
kennt!«
»Mit dieser Aufgabe habe ich bereits Newman betraut. Er wird mit
den Galerien am Broadway beginnen, die ihrer Wohnung am nächsten liegen, und
sich von dort aus weiter vorarbeiten.«
Francesca fragte sich mit einem Mal, ob Hart diese Miss Neville
möglicherweise kannte.
»Was ist los?«
Sie zögerte, wurde sich bewusst, dass ihre Wangen zu glühen
begannen.
»Francesca?«
»Ich sollte mit Hart reden. Er kennt nahezu
jeden in der Welt der Kunst und könnte für die Ermittlungen von Nutzen sein.«
Die Vorstellung schien Bragg nicht gerade zu
begeistern. »Gut möglich, aber ich werde mit Calder reden«, entgegnete
er. »Und ich beabsichtige es noch vor heute Abend zu tun.«
Francesca entschloss sich, das Thema fallenzulassen. Früher oder
später würde sie ohnehin wegen ihres Bruders mit Calder reden müssen und konnte
dann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Jetzt war allerdings nicht der
richtige Zeitpunkt, um an Calder zu denken.
Ich bekomme immer, was ich will ... egal, ob das Objekt meine
Begierde ein Gemälde ist ... oder eine Skulptur ... oder ein lukrativer Auftrag
... oder eine Frau.
Sie schauderte, denn sein Gesicht mit dem
dunklen Teint den hohen Wangenknochen, den dunklen Augen und den strahlend
weißen Zähnen ging ihr nicht aus dem Sinn. Das Problem bestand darin, dass
nicht die bloße Arroganz aus ihm sprach, sondern dass sie ihm jedes einzelne
Wort glaubte.
Aber dieses Mal würde er sich natürlich auf eine gewaltige
Überraschung gefasst machen müssen.
»Woran denken Sie gerade, Francesca?«, fragte Bragg leise und
ergriff ihren Arm. »An Evan?«
Sie zuckte zusammen. »Ich habe Angst um ihn«, hauchte sie, was ja
stimmte, auch wenn ihre Gedanken gerade Hart gegolten hatten und sie Bragg
somit
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