Brenda Joyce
nicht ganz.«
»Wir auch nicht«, erwiderte Francesca mit einem Lächeln, von dem
sie hoffte, dass es beruhigend wirkte.
Sarah starrte vor sich hin, schwieg für einen Moment und fragte
dann offen heraus: »Bin ich in Gefahr?«
Francesca
zögerte.
Bragg schaltete sich ein: »Ich weiß es nicht. Aber vorsichtshalber
lasse ich zwei Polizisten hier Wache halten, einen draußen vor dem Haus und
einen drinnen, direkt hinter der Haustür.«
Sarah nickte. Sie wirkte nervös, atemlos und ängstlich zugleich.
»War dieser Mord an der Schauspielerin möglicherweise ein Unfall?«
»Vielleicht«, entgegnete Bragg knapp. »Können wir?« Er deutete zur
Tür.
Sarah erhob sich und sie und Francesca folgten Bragg hinaus.
Francesca war davon ausgegangen, dass Sarah nichts über Miss Conways Beziehung
zu Evan wusste, war aber dennoch erleichtert, ihre Vermutung bestätigt zu
finden. Und auch wenn ihr klar war, dass die Verlobung schon bald zu Sarahs und
Evans beiderseitiger Erleichterung von ihrem Bruder gelöst werden würde, waren
sie einander doch zu diesem Zeitpunkt noch offiziell versprochen und Sarah musste
von Evans Verletzungen erfahren. Als sie den Flur entlanggingen, sagte sie: »Du
musst dir keine Sorgen machen, Sarah, aber du solltest wissen, dass Evan
Montagnachmittag in eine kleine Schlägerei geraten ist.«
Sarah blieb stehen, während Bragg die Tür zu ihrem Atelier
öffnete und hineinging. »Eine Schlägerei?«
»Ja«, bestätigte Francesca, die nicht die Absicht hatte, Evans
Schulden zu erwähnen. »Er wurde ziemlich übel zugerichtet und liegt im Bett,
wird aber schon bald wieder auf den Beinen sein.«
»Oh! Der arme Evan! Ich werde ihm natürlich umgehend einen Besuch
abstatten.« Sie schaute Francesca mit großen Augen an.
»Das wird ihn sicher freuen«, erwiderte diese, obwohl sie wusste,
dass es ihrem Bruder ziemlich egal sein würde, ob Sarah ihm einen Krankenbesuch
abstattete oder nicht.
»Ich gehe gleich heute Nachmittag zu ihm«, erklärte Sarah
entschlossen. Dann nahm ihr Gesicht einen besorgten Ausdruck an und sie blickte
an Francesca vorbei zu der offen stehenden Tür ihres Ateliers. »Ich frage mich,
ob ich wohl jemals wieder den Wunsch verspüren werde, zu malen«, murmelte sie.
»Aber gewiss wirst du das!«, rief Francesca aus. »Du bist doch mit
Herz und Seele Malerin, Sarah! Und eine brillante noch dazu!«
Sarah schenkte ihr ein mattes Lächeln. Sie zitterte und rührte
sich nicht von der Stelle.
Francesca hingegen trat vor und verharrte auf
der Türschwelle des von Tageslicht durchfluteten Ateliers. Nichts war
verändert worden. Der Raum bot einen Anblick der Verwüstung: Überall war Farbe
verspritzt, Leinwände lagen auf dem Boden verstreut und eine davon war zudem
bis zur Unkenntlichkeit verschandelt worden. Es handelte sich bei dem
zerstörten Bild um ein Porträt der atemberaubenden Gräfin Bartolla Benevente,
einer Cousine Sarahs.
Doch in diesem Moment galt Francescas
Aufmerksamkeit der Stelle an der Wand, wo inmitten roter und schwarzer
Farbspritzer ein unbeholfen hingemaltes Schriftzeichen zu erkennen war. Es war
unvollständig und verschmiert – möglicherweise der Ansatz zu einem »H« wie in
Miss Nevilles Atelier.
»Francesca«, flüsterte Sarah.
Francesca drehte sich um und sah, dass Sarahs Gesicht vor Furcht
und Anspannung mit einem Mal ganz verhärmt aussah. Erschrocken trat sie wieder
zu ihrer Freundin in den Flur hinaus. »Was ist denn, meine Liebe?«
»Ich habe fürchterliche Kopfschmerzen«, hauchte Sarah und presste
beide Hände gegen die Schläfen.
»Vielleicht solltest du besser nach oben gehen und dich hinlegen«,
schlug Francesca vor.
Sarah schüttelte den Kopf und ließ die Hände sinken. »Das kann ich
nicht. Ich habe Angst, dass ich einschlafen könnte«, sagte sie.
Francesca verstand nicht, was diese Bemerkung zu bedeuten hatte.
»Ich habe schreckliche Alpträume! Ich sehe überall Farbe und wenn
ich mich umdrehe, um wegzulaufen, renne ich geradewegs in einen Mann hinein.
Und in dem Moment, wo er mich am Arm packt, wache ich schreiend auf.« Sie
starrte Francesca aus angsterfüllten Augen an.
Francesca blickte nachdenklich drein. Mit
einem Mal kam ihr ein Gedanke, der sie ganz aufgeregt werden ließ. »Und das ist
nur ein Traum? Vermagst du das Gesicht des Mannes zu sehen? Weißt du, wer er
ist?«, fragte sie drängend. »Das ist es ja gerade«, flüsterte Sarah. »In dem
Moment, wo er meinen Arm packt, blicke ich ihn an, aber dann bin ich auch
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