Brenda Joyce
er sich erhoffte, durch das Auflösen der Abteilungen
der Mauschelei, Korruption und Bestechung im gesamten Polizeiapparat Einhalt
gebieten zu können.
»Es kursieren Gerüchte über eine Reihe von Erpressungen in
Germantown. Ich vermute, die entscheidende Kraftprobe mit Tammany Hall steht
bevor.«
Das klang gar nicht gut und Francesca stand vor Schreck das Herz
still. Es hatte an ein Wunder gegrenzt, dass es Seth Low, dem Kandidaten der
Citizens' Union, überhaupt gelungen war, das Amt des Bürgermeisters von den
Demokraten und Tammany Hall zu übernehmen. Tammany Hall war eine ausgesprochen
mächtige politische Kraft, das heißt, die Partei lockte deutsche Fabrikarbeiter
mit Versprechungen von Bier und Bargeld an die Wahlurnen. Bragg war nur ein
Mann und die Vorstellung, dass er einen so großen und wichtigen Kampf allein
schlagen musste, jagte ihr Angst ein.
Er begriff, was in ihr vorging, und sagte leise: »Ich werde das
schon schaffen, Francesca.«
Sie atmete schwer. »Das hoffe ich.«
Newman trat zu ihnen und begrüßte sie beide
atemlos. »Sir? Wir haben eine Spur Miss Conway betreffend. Sie hatte
offensichtlich vor einer Woche – Bennett glaubt, es war am vorletzten Montag
oder Dienstag – einen heftigen Streit mit einem Mann. Er konnte sie schreien
hören und offenbar gingen einige Objekte in ihrer Wohnung zu Bruch.« Bragg mied
Francescas Blick. Der Streit musste ziemlich ausgeufert sein, dachte sie.
Bragg zögerte. »Wissen wir, wer der Mann
war?«
Newman errötete und warf Francesca einen Blick
zu. »Äh, es sieht ganz so aus, als hätte sie einen Liebhaber gehabt. Könnte
jemand gewesen sein namens, äh, Evan, äh, Cahill.«
Bragg seufzte. Francesca ergriff Newmans Arm, entschied sich, den
Mann aus seiner misslichen Lage zu befreien. »Ich weiß, dass sie die Mätresse
meines Bruders gewesen ist, Inspector, und ich weiß auch, dass er letzte Woche
mit ihr Schluss gemacht hat. Aber er ist kein Mörder. Er könnte niemals einen
Menschen umbringen.«
Newman blickte peinlich berührt drein. »Ich muss dem Commissioner
die Fakten mitteilen, Miss Cahill. Tut mir leid«, fügte er hinzu.
»Wir sollten das zunächst einmal für uns behalten, Newman«,
entschied Bragg. »Ich möchte vermeiden, dass die Reporter davon Wind bekommen
und die ganze Sache unnötig aufbauschen. Das würde es uns nur erschweren, den
wahren Mörder zu finden.«
»Jawohl, Sir. Habe keiner Seele etwas gesagt. Allerdings war
natürlich Hickey bei mir, als wir Mr. Bennett erneut befragt haben.«
Francesca sagte rasch: »Bitte machen Sie Detective Hickey
deutlich, wie wichtig es ist, in dieser Angelegenheit Diskretion zu üben.«
»Machen Sie sich mal wegen ihm keine Sorgen, er ist die Diskretion
in Person. Commissioner, Sir? Wir haben drei Kunstgalerien in einem Radius von
zehn Wohnblocks vom Tatort gefunden. Ich werde die Besitzer zusammen mit Hickey
befragen, sobald sie geöffnet haben. Kommt mir wahrscheinlich vor, dass man sie
in einer Galerie in der Nähe ihrer Wohnung gekannt hat.«
»Gute Arbeit«, sagte Bragg lächelnd und klopfte Newman auf die
Schulter. Der strahlte angesichts des Lobes über das ganze Gesicht.
Dann wandten sie sich dem eigentlichen Grund
ihres Kommens zu. Francesca betätigte erneut den Türklopfer. Gleich darauf
öffnete ein Diener und bat sie herein. »Irgendwelche Anhaltspunkte, was den
Aufenthaltsort von Thomas Neville angeht?«, fragte Bragg über die Schulter. Der
Diener bat sie zu warten und eilte davon, um Mrs. Channing oder Sarah zu
suchen.
»Nein, Sir. Wir haben Schwierigkeiten, seinen ehemaligen Vermieter
zu finden. George Holiday scheint verschuldet zu sein und ist auf der Flucht
vor den Banken. Aber früher oder später werden wir ihn schon zu fassen
kriegen.«
»Das wird unsere Ermittlungen verzögern«, murmelte Bragg an
Francesca gewandt.
Sie stimmte ihm voll und ganz zu.
Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als Abigail Channing in
Hausschuhen und einem voluminösen, burgunderfarbenen Samtmorgenrock auf sie
zugetrippelt kam. Um ihre dramatische Aufmachung zu vervollkommnen, trug die
reiche Witwe Rubine, die eher zu einem Abendkleid gepasst hätten.
»Commissioner! Francesca! Was für eine wundervolle Überraschung«, rief sie mit
ihrer hauchigen, kindlichen Stimme. Auch ihr Entzücken entsprach eher dem
Gebaren eines Kindes. Francesca wusste allerdings, dass sie es nicht böse
meinte.
»Hallo, Mrs. Channing.« Francesca schenkte ihr ein fast schon
liebevolles
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