Brenda Joyce
diejenige gewesen, die ihn in die
Anne einer anderen Frau getrieben hatte?
Connie kannte die Regeln einer guten Ehe. Sie
waren ihr als Teil ihrer Erziehung eingeimpft worden. Es war die Frau, die
immer zugab, dass sie etwas falsch gemacht hatte, ob es stimmte oder nicht. Es
war die Frau, die immer anstandslos die Schuld auf sich nahm, wenn etwas
vorgefallen war. Frauen stritten nicht mit ihren Männern. Wenn es dem Mann
einfiel, seiner Frau mitzuteilen, dass er gerade den Mount Rainer erklommen
hatte, so sollte sie ihm tunlichst fröhlich gratulieren. Frauen waren elegant,
hatten feine Manieren, waren gut gekleidet und geschmackvoll frisiert.
Und eine Frau verweigerte sich ihrem Mann im Schlafzimmer niemals.
Doch genau
das hatte Connie getan.
Sie hatte Neil nach Lucindas Geburt deutlich gemacht, dass sie es
nicht mehr wünschte, von ihm angefasst zu werden. Sie empfand das Liebesspiel
als etwas Peinliches. Oder besser gesagt, sie schämte sich für das, was im Bett
mit ihr geschah. Niemand musste ihr erklären, dass sich Damen einfach nicht wie
Huren gebärdeten, wie sie es gewiss getan hatte.
Charlotte rannte strahlend zu Neil. »Siehst
du? Das habe ich dir doch gesagt, Daddy. Du musst nicht mehr so traurig sein.«
Connie schlug die Hand vor den Mund, um ein Keuchen zu
unterdrücken.
Neil warf ihr einen wütenden Blick zu, der
besagte: Siehst du, was du den Kindern antust! Aber als der Gentleman,
der er zumindest offiziell war, sagte er gezwungen: »Darf ich dich und
die Kinder zu einer Kutschfahrt in den Central Park mitnehmen? Es ist ein so
schöner Tag.«
»Ich mache einen Einkaufsbummel mit ihnen«, erwiderte Connie. »Das
habe ich Charlotte versprochen.«
Sein Gesichtsausdruck wurde ganz starr, doch sie kannte ihn gut
und sah den Schmerz und die Enttäuschung in seinen Augen. »Na schön«, sagte er
leise. »Wie ich sehe, störe ich nur. Das war nicht meine Absicht. Ich finde, es
ist eine großartige Idee, wenn die Damen einen Einkaufsbummel unternehmen.« Er
lächelte auf Charlotte hinab.
»Aber du kannst doch mitkommen, Daddy«, sagte Charlotte. »Wir
können doch alle zusammen gehen.«
Connie vermochte die Vorstellung nicht zu
ertragen.
»Charlotte, dein Vater muss Termine einhalten. Der Tag heute gehört
uns Mädchen. Wir werden viel Spaß haben!«
Charlotte
machte einen Schmollmund.
Neil sagte emotionslos: »Deine Mutter hat recht. Es gibt einige
geschäftliche Angelegenheiten, um die ich mich kümmern muss. Wir sehen uns dann
später.« Er hob Charlotte in die Höhe, drückte sie an sich, gab Lucinda einen
Kuss und verließ mit schnellen Schritten das Zimmer, ohne Connie auch nur noch
einen einzigen Blick zu schenken. Sie starrte ihm fassungslos hinterher.
Große Angst machte sich in ihr breit, denn sie begriff, dass sie
auf dem besten Wege war, ihren Mann tatsächlich zu verlieren.
Die Residenz
der Channings befand sich auf der West Side, die von den Einwohnern Manhattans
den Spitznamen »Dakota« erhalten hatte, da sie so weit weg von allem und jedem
lag. Sarahs Mutter, Abigail Channing, war seit einigen Jahren verwitwet, und
sie hatte sich mit dem Geld ihres verstorbenen Mannes eine riesige und
übertrieben prunkvolle Villa bauen lassen. Francesca ignorierte die zahlreichen
Wasserspeier, die auf Bragg und sie herabstarrten, und blieb auf der
Eingangstreppe stehen. An den Ecken des Gebäudes ragten hohe, mittelalterlich
anmutende runde Türme auf.
Bragg sprach kurz mit dem Streifenpolizisten, der auf dem
gepflasterten Weg nahe der Haustür stand. »Ist letzte Nacht oder heute Morgen
etwas vorgefallen?«
»Nein, Sir«, antwortete der junge Mann nervös und lächelte Bragg
an.
Der schien es nicht zu bemerken. »Haben sich
irgendwelche Gestalten hier herumgetrieben? Merkwürdige Besucher? Gab es
vielleicht verdächtige Lieferungen?«
»Nichts dergleichen, kein einziger Besucher, Commissioner, Sir.«
Der blonde Mann hätte beinahe salutiert.
Francesca verkniff sich ein Lächeln. Da erblickte sie Newman, der
aus einer Mietdroschke gestiegen war und nun den Steinweg heraufgeschnauft kam.
Sie betätigte zweimal den Türklopfer. »Sie haben Ihren Leuten eine Heidenangst
eingejagt«, murmelte sie.
»Das möchte ich bezweifeln, aber in der nächsten Woche wird es
eine weitere Runde von Degradierungen geben.« Er lächelte sie an.
»Aber wieso denn?«, fragte sie überrascht. Er hatte bereits
dreihundert New Yorker Polizisten degradiert, viele der Detectives wieder auf
Streife geschickt, weil
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