Brenda Joyce
gehört
hatte. Maggie besaß nur zwei Hüte – da sie diese nicht selbst herstellen konnte
– und sie trug nun ein keckes, schwarzes Ding mit einem Satinband auf dem Kopf.
Sie hatte sich ihr schulterlanges rotes Haar zu einem Chignon zurückgesteckt,
aber einige Strähnen hatten sich gelöst und umrahmten ihr Gesicht. Als ihr ihre
Mutter die Brosche gab, hatte sie ihr zugleich auch zwei winzige Perlenohrringe
dazu geschenkt, die Maggie nun ebenfalls trug. Ihr einziger weiterer Schmuck
war ihr schlichter Ehering, auf dessen Innenseite Joe damals hatte
eingravieren lassen: »Joe Kennedy, für immer dein.«
Ob er jetzt wohl über sie lachte? Sie konnte
ihn noch immer so deutlich vor sich sehen, als wären nicht schon fünf Jahre
seit seinem Tod vergangen. Er war ein kleiner, muskulöser Mann gewesen, aber
mit dem Gesicht eines Engels – ihr Ältester, Joel, kam genau nach ihm. Nein,
wahrscheinlich lachte er nicht über sie, sondern bedachte sie mit einem
strengen Blick – wenn auch mit einem Zwinkern im Auge. Und er schalt
sie wegen ihres dummen Verhaltens.
Was hast du dir nur dabei gedacht, Mrs.
Kennedy? Mit 'nem Gentleman zu schäkern! Ich weiß ja, dass du mich vermisst,
aber 'n Gentleman? Und als Nächstes versuchst du dann wohl auf dem Mond zu
landen, wie? Ach, Maggie, mein Schatz, ich wünschte, ich könnte bei dir sein
...
Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie würde
ihren Mann immer vermissen und er hatte immer recht. In gewisser Weise war er
seit seinem Tod wirklich zu einem Engel geworden, der auf ihrer Schulter saß
und sie bei der schwierigen Aufgabe leitete, vier Kinder allein großzuziehen.
»Sei tapfer«, flüsterte er nun und seine
schwarzen Augen blickten sie liebevoll an. »Verabschiede dich jetzt von dem
Gentleman und mach dich mit den Kindern davon.«
Schweigend bat sie ihn, sie nicht zu drängen.
Maggie warf einen Blick in Evans Zimmer und sah, dass er schlief. Ihr Herz
klopfte heftig vor Aufregung. Aber vielleicht war es besser so, dachte sie
betrübt. Das hier war die perfekte Gelegenheit, sich davonzuschleichen.
In Gedanken sah sie plötzlich die
atemberaubend elegante und schöne Gräfin vor sich. Wie sie auf Evans Bett gesessen
und ihn mit Anekdoten aus ihrem Leben in den Schlössern Europas unterhalten
hatte, ein Leben, in dem es von Herzoginnen und Herzögen nur so wimmelte. Und
dabei hatte ihre Hand seine Schulter, seine Wange, sein Haar gestreichelt und
Evan hatte es sich gefallen lassen – aber welcher Mann hätte das nicht? Er
hatte über ihre Geschichten gelacht, doch als sie ihn berührte, war sein Lachen
verstummt.
Maggie hatte nicht spionieren oder lauschen
wollen. Aber als sich seine Verlobte für einen Moment entschuldigt und das
Zimmer verlassen hatte, da war Maggie, die in ihrem eigenen Zimmer bei weit
geöffneter Tür auf und ab geschritten war, in den Flur hinausgeschlichen. Der
gutaussehende Doktor war schon etwas früher gegangen und sie wusste, dass Evan
und die schöne Gräfin nun allein waren.
Die Tür hatte einen Spaltbreit offen gestanden. Maggie hatte
hindurchgespäht und beobachtet, wie die Gräfin sich über Evan beugte – wobei
ihr der schneeweiße Busen beinahe aus der Kostümjacke quoll – und seine Lippen
mit den ihren berührte.
Evan hatte sie nicht abgewehrt. Der Kuss
hatte lange gedauert und war aus Maggies Sicht sehr intim gewesen.
Maggie konnte es ihm nicht übelnehmen. Sie
wusste, dass seine bevorstehende Heirat arrangiert worden war, und man musste
schon blind und taub sein, um nicht zu erkennen, dass er für seine Verlobte
nichts übrig hatte.
»Du dummes Mädchen«, flüsterte ihr Joe ins Ohr. »Was hast du denn
vor? Willst du auf dem Rücken landen, den Rock überm Kopf? Ist schon lange her,
ich weiß, aber so eine bist du doch nicht, oder?«
Maggie wischte sich die Augen. Es war fünf Jahre her, dass sie
atemlos und mit glühenden Wangen nach dem Liebesspiel in den Armen ihres
Mannes gelegen hatte. Und sie wollte nicht nur eine kurzlebige Flamme sein, ein
leichtes Mädchen, eine Dirne, eine Hure. Sie würde niemals wieder in den Armen
eines Mannes liegen und niemals wieder würde sie ein Mann auf die Weise umarmen
und lieben, wie Joe es getan hatte.
Nein, sie würde sich nicht verabschieden. Sie
wandte sich zum Gehen, versuchte die lebhafte Erinnerung aus der jüngeren
Vergangenheit aus ihrem Gedächtnis zu verbannen, als Evan mit den drei Kleinen,
Paddy und Mat und Lizzie, von einem Ausflug zurückgekehrt war. Sie waren alle
in
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