Brenda Joyce
überblicken
konnte. Sein Mund verzog sich.
Ob Rick wohl seine neu gewonnene Macht genoss? Etwas sagte Hart,
dass es sich nicht so verhielt, und das war eine Schande. Aber Rick war nun
einmal zu edelmütig, um die Vorzüge seiner Position zu genießen.
»Mr. Hart, Sir!« Der Oberkellner kam diensteifrig und unterwürfig
auf ihn zugeeilt. »Wie schön, Sie wieder einmal bei uns begrüßen zu dürfen,
Sir. Es muss schon beinahe sechs Monate her sein.«
»Guten Tag, Henry. Wie ich sehe, ist meine
Verabredung bereits eingetroffen. Ich finde den Weg allein, vielen Dank.«
Aber Henry eilte voraus, führte ihn zwischen den mit Leinen
gedeckten Tischen hindurch und sagte dabei: »Der Commissioner ist gerade erst
gekommen. Gerade einmal eine Minute vor Ihnen, Sir.«
Hart hörte nur mit halbem Ohr hin. Er nickte im Vorübergehen
einigen Herren zu, die er aus dem einen oder anderen Grund kannte. Bei manchen
suchte er ganz bewusst den Augenkontakt. Er hatte irgendwann in der Vergangenheit
einmal mit ihren Frauen geschlafen, verspürte aber weder Schuldgefühle noch das
geringste Bedauern. Schlief lieh war er nicht der erste Liebhaber in ihren
Betten gewesen und würde auch nicht der letzte sein.
Was der Grund war, weshalb er verheiratete Frauen bevorzugte. Das
heißt, solche, die untreu waren. Sie verstanden sich auf die Regeln des Spiels
und stellten kein Forderungen an ihn. Aber jetzt würde sich sein Leben ändern.
Er wusste, dass ihn Francesca niemals langweilen würde, und er
wusste auch, dass er ihre Freundschaft verlieren würde, wenn sie jemals einen
anderen Mann heiraten sollte. Kein Ehemann würde es tolerieren, dass sie mit
ihn befreundet war, und das mit gutem Grund. Es war genas diese Gewissheit, die
ihn veranlasste, die nötigen Schritt einzuleiten. Ihre Freundschaft war für ihn
so lebenswichtig geworden wie die Luft, die er atmete. Dabei spielte es keine
Rolle, dass sie ihn nicht »liebte«.
Er weigerte sich darüber nachzudenken, dass sie glaubte Rick zu
»lieben«.
Bragg erhob sich, als Hart an den Tisch
trat. Sein Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass er schlechte Laune
hatte. Hart fragte sich sofort, was Francesca wohl angestellt haben mochte – es
sah Rick gar nicht ähnlich, so mürrisch dreinzublicken. Er lächelte in sich
hinein. Sie hatte wirklich ein Talent dafür, sich in Gefahr zu bringen – natürlich
stets mit gutem Grund, um irgendeiner bedürftiger Seele zu helfen. Aber die
Aufregungen, die eine Beziehung mit Francesca Cahill mit sich brachte, wurden
durch die Vorzüge gewiss reichlich aufgewogen. Bald würde er es genau
wissen, da er seinen Kopf nun einmal auf den Henkersblock gelegt hatte. Er
nahm Platz. »Du meine Güte, sind wir heute aber missmutig.«
»Guten Tag, Calder«, grüßte Rick mit einem
knappen Nicken.
Hart kam zu dem Schluss, dass dies doch ein amüsantes Mittagessen
werden würde. Eine Hasche Rotwein wurde auf den Tisch gestellt. »Château Lafitte? Zum Mittagessen? Gibt
es etwas zu feiern?« Er wusste sehr wohl, dass dies nicht der Fall war.
»Es freut dich sicherlich zu hören, dass ich heute nicht ganz auf
der Höhe bin, aber nein, es gibt nichts zu feiern. Ich habe lediglich Migräne«,
sagte Rick und nickte dem Kellner zu, damit der den Wein öffnete.
»Treibt sie dich in den Wahnsinn? Sie kann recht anstrengend
sein, nehme ich an. Was hat sie denn dieses Mal angestellt, wovon ich nichts
weiß?«
»Sie treibt mich nicht in den Wahnsinn, aber zu dieser Migräne hat
es gereicht.« Rick verzog das Gesicht. »Sie hat es gewagt, heute Morgen in mein
Büro zu kommen«, fügte er hinzu.
Jetzt war Hart verwirrt. Francesca suchte ihn doch häufig im Polizeipräsidium
auf. »Ich dachte, es gefiele dir, wenn sie dich besuchen kommt.«
»Wovon zum Teufel redest du?«, versetzte Rick mit scharfer Stimme.
»Dass Leigh Anne an meinem Arbeitsplatz auftaucht, ist das Letzte, was ich
gebrauchen kann.«
Harts Augen weiteten sich, als ihm klar wurde, dass sie nicht von
derselben Frau sprachen. »Ich dachte, es ginge um Francesca«, entgegnete er
sanft und amüsierte sich dabei königlich. Sieh mal einer an! Sein Bruder war
also wegen seiner hinreißenden kleinen Frau nicht ganz auf dem Damm. Er hätte
es eigentlich wissen sollen. Manche Dinge änderten sich wohl nie.
Bragg kostete gerade den Wein und verschluckte sich beinahe
daran. »Francesca?«, brachte er hervor. Er setzte hustend das Glas ab. »Warum
starrst du mich an, als wären mir zwei Köpfe
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