Brenda Joyce
auf Miss Holmes' Zimmer.
Francesca ging auf Mrs. Holmes zu. Es wäre ihr lieber gewesen,
Farr hätte sich nicht in den Fall eingemischt. Sie nahm neben der Frau Platz.
»Es tut mir ja so leid. Wurde ein Arzt gerufen?«
Mrs. Holmes nickte. Ihr Gesicht sah jetzt schrecklich abgehärmt
aus. »Sie war ja so ein Engel«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Mein Engel
der Barmherzigkeit! Wer hat ihr nur so etwas angetan?«
»Das beabsichtigen wir herauszufinden«, erwiderte Francesca mit
Nachdruck. Sie ergriff spontan die Hände der Frau. »Hat Miss Holmes Grace
Conway gekannt? Waren die beiden befreundet?«
»Aber nein! Miss Conway war Schauspielerin, junge Dame, und
meine Tochter ist wohlerzogen.«
»Kannte sie Bertrand Hoeltz, Miss Nevilles
Bekannten, oder Thomas Neville, ihren Bruder? Hatte sie einen der beiden schon
einmal getroffen?« Francesca versteifte sich, denn Farr war gerade hinter sie
getreten.
»Sie hat einen freundlichen Umgang mit Miss Neville gepflegt,
genau wie ich auch. Gewiss kannten wir ihren Bruder, aber was Mr. Hoeltz
betrifft« – Mrs. Holmes war sichtlich aufgebracht –, »so habe ich ihr geraten,
ihn nicht einmal anzusehen, sollte sie ihm im Flur begegnen. Ich habe ihr
gesagt, dass er gefährlich ist.«
»Hat Mr. Hoeltz Miss Neville häufig hier in
ihrer Wohnung besucht?«, erkundigte sich Francesca überrascht.
»Ja, das hat er. Und er trug immer rote Rosen
im Arm, rote Rosen und eine Flasche mit französischem Wein!« Erneut füllten
sich ihre Augen mit Tränen, sie schlug die Hände vors Gesicht und begann wieder
zu weinen.
»Hat Ihre Tochter Evan Cahill gekannt, Mrs. Holmes?«, fragte Farr.
Francesca erstarrte. Sie drehte langsam den Kopf, um zu Farr
aufzublicken.
Der starrte sie mit einem unergründlichen Ausdruck an. »Diese
Frage haben Sie bisher noch nicht gestellt.« Mrs. Holmes ließ die Hände sinken.
»Diesen Bekannten von Miss Conway? Aber nein, natürlich nicht! Er ist
genauso verdorben wie Hoeltz, vielleicht sogar noch schlimmer! Macht
anständigen Mädchen wie meiner Catherine schöne Augen. Ich habe ihr geraten,
sein Lächeln bloß niemals zu erwidern!«
»Francesca?«, rief Bragg leise
aus Miss Holmes' Zimmer.
Francesca sprang auf und eilte
zu ihm. Er hielt die Bibel in der Hand. »Was ist denn los?« Als sie seinen
grimmigen Gesichtsausdruck bemerkte, beschlich sie eine böse Vorahnung.
Er hielt ihr stumm die Bibel entgegen, die auf
dem Nachttisch gelegen hatte. Francesca nahm sie in Augenschein und stellte
fest, dass es sich in Wahrheit um ein Tagebuch handelte. Der Umschlag war vom
Buch der Bücher abgelöst worden und diente lediglich zur Tarnung des Inhalts.
Bragg hatte es willkürlich an einer Stelle aufgeschlagen und reichte es ihr.
Francesca warf einen Blick auf das Datum – es lag beinahe ein Jahr
zurück – und las:
Er
hat Grace Conway schon wieder einen Besuch abgestattet und wir sind uns im Flur
begegnet. Natürlich habe ich ihn erwartet, da er für gewöhnlich am frühen Abend
eintrifft, um sie auszuführen. Heute Abend trug er eine rosafarbene Nelke am
Revers. Und als er mich dieses Mal angelächelt hat, habe ich mich endlich
getraut und ihn begrüßt! Er hat meinen Gruß erwidert und sich mir vorgestellt!
Sein Name ist Evan Cahill. Ach, wie elegant das klingt, und es passt so gut zu
ihm! Ich habe ihm ebenfalls meinen Namen genannt, und danach hat er mir einen
angenehmen Abend gewünscht.
Francesca wurde angst und bange. Sie übersprang den Rest der Seite
und blätterte eine andere auf.
Ich
habe sie die ganze Nacht gehört. Habe gehört, wie er mit ihr geschlafen und
sie seinen Namen gerufen hat. Nachher hat er ihr gesagt, wie sehr er sie liebt.
Diese Wände sind so schrecklich dünn! Und später dann, als es oben ruhig war,
da konnte ich nicht schlafen. In meiner Phantasie sehe ich, wie Evan Cahill
Miss Conway liebt, aber mit der Zeit verwandelt sie sich in mich. O
Gott, wie sehr ich diesen Mann liebe!
Francesca schlug das Buch entgeistert zu.
Farr lehnte im Türrahmen. »Sie hat also Tagebuch geführt«, stellte
er nüchtern fest.
Francesca wandte sich zitternd von ihm ab. Ihr Bruder stellte nun
die Verbindung zwischen Sarah Channing und den beiden anderen toten Frauen dar.
»Alles in
Ordnung?« Bragg drückte kurz ihre Hand.
»Dieses Tagebuch hat nichts zu bedeuten«,
erklärte Francesca. Sie saßen in seinem Daimler vor dem Sandsteingebäude, in
dem sich die Galerie Hoeltz befand.
»Es bedeutet, dass sie in Ihren
Bruder vernarrt war.
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