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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Stillschweigen übergangen worden. Meist hatte der ein Auge zugedrückt, wenn die Großen über die Stränge schlugen, sie dadurch in Sicherheit gewiegt, um ihnen, ehe sie es sich versahen, ein Stück ihrer Macht abzuzwacken. Er hatte auf diese Weise viel erreicht, das ließ sich nicht leugnen, viel mehr, als vorher jemand für möglich gehalten hätte. War es aber das Mögliche gewesen?
    Nun, das ihm Mögliche bestimmt. Spät war er auf den Thron gelangt; beileibe nicht zufällig (sie kamen um ihn nicht herum), doch auch nicht, weil er sich mehr als andere danach gedrängt hätte. Bewundernswert deshalb, wie rasch er gelernt hatte, über die Grenzen seiner bisherigen Macht hinauszudenken. Und geradezu erstaunlich, daß er den Bogen nie überspannt hatte und zu keiner Zeit der Versuchung erlegen war, seinem Glück Gewalt anzutun.
    Tatsächlich war diese Versuchung aber wohl nur selten näher an ihn herangetreten. Denn niemals, auch nicht nach dem großen Sieg über die Ungarn, hatte der Vater seine tiefsitzende Scheu vor der spät erworbenen Würde völlig abzustreifen vermocht. Er hatte seinerzeit den rechtmäßigen König bekämpft, und die Vorstellung, sich nun hinter Ansprüchen zu verschanzen, gegen die er sich früher gesträubt hatte, bereitete ihm stets ein abergläubisches Unbehagen. Mißtrauisch in bezug auf alles, das er nicht seiner Tatkraft zu verdanken meinte, hatte er sich bis zuletzt eher als Verwalter des Throns denn als sein Besitzer begriffen.
    Von daher erklärte sich seine befremdliche Schwäche für Leute, die sich, wie er, lieber auf ihre Stärke verließen als auf das Recht. Er verstand sie wohl besser als die Untertänigen und Gehorsamen und vertraute ihnen mitunter noch dann, wenn sie offen gegen seine Anordnungen verstießen. Auch der Eigensinn der Großen hatte ihn im Grunde seines Herzens nie wirklich empört, selbst dann nicht, wenn er mit Härte gegen sie vorging. Nicht vor allem Rebellen sah er in ihnen, eher gleichgestellte Gegner, mit denen man sich rauft, ohne sie deswegen zu verabscheuen.
    Doch wer wahrhaft herrschen will, muß sich mit seinem Amt eins fühlen, so unbedingt, daß er jedem Zweifel an seinen Rechten guten Gewissens als einer Beleidigung der Vorsehung entgegentreten kann – davon ist der junge König überzeugt. Und er will herrschen, nicht als irgendwer, sondern als König von Gottes Gnaden; deshalb ist er entschlossen, die Macht der Herzöge zu brechen. Die Herzogtümer verdanken ihre Wiedergeburt der Schwäche des Königtums, nun, da es im Begriff ist, seine einstige Stärke zurückzuerobern, haben sie sich ihm widerspruchslos unterzuordnen. Vasallen der Krone müssen ihre Häupter werden, und wenn ihnen das nicht gefällt, wird er sie zum Teufel jagen.
    Noch ist die Zeit nicht reif dafür, doch bereits jetzt wird er ihnen auf die Finger klopfen, sobald sie ihre Befugnisse überschreiten, so, daß jeder im Reich merkt, wer der Herr im Haus ist; der Frankenherzog soll es als erster zu spüren bekommen. Vor allem aber wird er sich Bundesgenossen schaffen, indem er den Menschen Ziele weist, die sie aus eigener Kraft nicht erreichen können. Denn sie sind kurzsichtig und wollen ihren Vorteil mit den Händen greifen können, sonst fallen sie von einem ab. Deshalb darf man ihrer Selbstsucht niemals freien Lauf lassen, man muß sie bündeln und dorthin lenken, wo sie einem nicht schadet, wenn möglich sogar nützt. Und wie die Dinge einmal liegen, heißt das: in Richtung Osten.
    Sofort zeigt sich, wie vernünftig Gott die Welt eingerichtet hat, was sich freilich allein demjenigen offenbart, der fähig und willens ist, seine Pläne richtig zu deuten: Nur der König kann die vollständige Unterwerfung des Slawenlandes mit Aussicht auf Erfolg in Angriff nehmen, weil nur er sämtlichen dazu erforderlichen Kräften gebietet. Indem er aber tut, was viele wünschen, stärkt er zugleich sein Ansehen und seine Macht. Und damit nicht genug, haben am Ende wunderbarerweise alle einen Nutzen davon – selbst die Heiden, denen dereinst die ewige Verdammnis erspart bleiben wird.
    Es klopft. Der König springt auf, geht zur Tür, öffnet sie. Auf der Schwelle steht ein Mann und ein Knabe von vielleicht sieben Jahren. Der Mann trägt eine braune Kutte, als er sich vorbeugt, sieht man auf seinem Hinterkopf die Tonsur. Das Kind, es ist mit einem einfachen Reisegewand bekleidet, kräuselt hierauf spöttisch die Lippen und zwinkert dem König zu.
    »Hab Dank, Wolo«, sagt dieser zu dem

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