Brennaburg
»Wahrhaftig, das wird er benötigen. Wiederum zweifle ich nicht, daß er auf den Beistand unseres Schöpfers zählen darf. Wenn nicht bei einem Unternehmen wie diesem, bei welchem dann? Ich habe Erkundigungen über dich eingezogen«, setzte er leise hinzu. »Hat man es dir gesagt?«
»Nein.«
»Sonderbar. Wo du doch sonst über alles, was in deiner Grafschaft geschieht, so gut unterrichtet bist.«
Otto schmunzelte, wurde aber gleichsam wieder ernst.
»Das Ergebnis war auf den ersten Blick verwirrend. Es gibt mehr Beschwerden über dich als über die meisten Grafen, jedoch auch mehr Lob. Manche halten dich für einen Heuchler, andere beinahe für einen Heiligen. Vielen bist du fremd, selbst solchen, die dir vertrauen. Erstaunt dich das?«
»Keineswegs.«
»Ich habe lange überlegt, was sich hinter deiner angeblichen Uneigennützigkeit verbergen könnte. Ich glaube, ich habe es herausgefunden. Werners Schilderung seines Besuches bei dir läßt mich jedenfalls vermuten, daß ich auf der richtigen Fährte bin.«
Gero zuckte zusammen, und Otto legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter. »Nicht doch, mein Freund, ich wollte dich nicht beschämen. Meinst du, ich verstünde dich nicht? Ein Mann muß die Grenzen seiner Kraft ausschreiten können, hindert man ihn daran, überkommt ihn Bitterkeit. Das ist nur zu natürlich. Und nun genug geredet. Graf Siegfried hat uns, wie du weißt, verlassen, und ich benötige für ihn einen Nachfolger. Was glaubst du, sollte ich es mit dir versuchen?«
Er lächelte flüchtig.
»Falls ich mich geirrt habe und dir mein Vorschlag mißbehagt, halte damit nicht hinterm Berg. Ich bin auf Ablehnung gefaßt, denn sonderlich begeistert scheinst du von meinen Plänen ja nicht zu sein.«
»Herr König«, flüsterte Gero, dann versagte ihm die Stimme.
Otto sah ihn aufmerksam an. »Das genügt mir«, bemerkte er nach einer Weile. »Mehr als alle Eide, die du noch schwören wirst, zeigt mir deine Ergriffenheit, daß ich auf dich zählen kann. Ich ernenne dich also zum Legaten. Ob du einmal den Titel eines Markgrafen führen wirst, hängt künftig vor allem von dir ab. Im September, auf dem Hoftag in Magdeburg, gebe ich meinen Entschluß bekannt. Bis dahin darf niemand von unserem Gespräch erfahren.«
Seine Augen wurden schmal.
»Bevor ich zu Einzelheiten komme«, sagte er leichthin, »noch dies: Nach deiner Erhöhung werden voraussichtlich Leute an dich herantreten, die dir empfehlen, zugunsten meines Halbbruders Thankmar auf die Legatschaft zu verzichten. Sie werden behaupten, daß meine Entscheidung den inneren Frieden des Reiches gefährde, weswegen ich diese bald bereuen und dich opfern könnte. Sie werden drohen und locken. Glaube ihnen kein Wort und vertraue mir so, wie ich dir vertraue. Denn wisse, daß du von nun an unter meinem besonderen Schutz stehst. Sollte sich herausstellen, daß du der dir übertragenen Aufgaben nicht gewachsen bist, würde ich dich zwar ablösen, doch auch dann hättest du weder Not noch Verfolgungen zu fürchten. Fürchten, Graf Gero, mußt du allein mich. Darum hintergehe mich niemals! Niemals, hörst du?«
Nachdem sie miteinander gespeist hatten, brach Gero wieder auf, diesmal, so hatte es der König bestimmt, von mehreren Bewaffneten begleitet. Hinter dem Tor begegnete ihnen der Posten, der den Grafen am Vormittag beschimpft hatte. Weit davon entfernt, ihm deswegen noch gram zu sein, war Gero jetzt so, als ob der andere ein guter alter Bekannter sei, der sich mit ihm freuen würde, wenn er erfuhr, wie unerwartet günstig die Unterredung verlaufen war. Fast hätte er ihm zugenickt, da erschrak er über seine Anwandlung und rief den Mann zu sich.
Dieser kam verstohlen grinsend näher. »Entschuldige meinen ungebührlichen Ton, Herr Graf«, sagte er schleppend. »Aber ich hatte doch keine Ahnung, wer du bist.«
»Selbstverständlich konntest du das nicht wissen«, entgegnete Gero, »und eigentlich ist mir danach zumute, dir zu vergeben. Leider ist das unmöglich. Denn wenn ich deine Beleidigungen ungesühnt ließe, wäre ich für dich immer derjenige, den du einmal ungestraft einen Schuft genannt hast. Und das darf nicht sein. Verstehst du?«
Der Mann wurde blaß, antwortete aber nicht. Mürrisch schaute er auf Geros rechte Hand, die nach der Peitsche tastete, preßte die Lippen zusammen, als dieser ausholte, und neigte den Oberkörper leicht nach vorn.
»Verstehst du?« ächzte der Graf und hieb dem anderen die Peitsche über den Mund, so
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