Brennaburg
nebenher, ohne daß es eines Feldzuges bedurft hätte, gerieten sie in die Abhängigkeit.
Schon die Franken hatten die Abwehrkraft dieses einst von Thüringern und Sachsen gefürchteten Volkes gebrochen. Kaiser Karl und seine Nachfolger hatten es einige Male bekriegt, Aufstände niedergeworfen und dabei seine inneren Zwistigkeiten sowie die eigensüchtigen Bestrebungen des Adels so geschickt auszunützen gewußt, daß die Sorben seither hoffnungslos zerstritten waren. Sogar innerhalb eines Stammes trauten die Oberen einander nicht über den Weg und rieben sich in Machtkämpfen auf. Der gegenseitige Argwohn war derart unüberwindlich, daß von gemeinsamem Handeln der Fürsten keine Rede sein konnte und der ehemals mächtige Stammesverband nur noch in seinem Namen fortlebte.
Das hatte es Heinrich gestattet, mit den Sorben nicht viele Umstände zu machen. Während die großen, mit straffer Hand regierten Völker – wie etwa Obodriten und Heveller – einen maßvollen, genau festgelegten und von ihnen selbst aufzugliedernden Zins zu entrichten hatten, schröpfte er die sorbischen Burgbezirke einzeln und, um sie gegeneinander aufzubringen, nicht selten nach Belieben.
Freilich, auch hier galt der Grundsatz, den Bogen nicht zu überspannen. Zwar bildeten die Abgabenrinsel, die aus dem Slawenland ins Reich flossen, zuletzt einen durchaus ansehnlichen Strom, den der König längst nicht mehr missen mochte; doch besaß der Tribut noch einen weiteren Sinn, den allzu harte Forderungen nicht gefährden durften. Er bestand nicht allein im Wert einer Viehherde, einer bestimmten Anzahl von Fellen oder in der Erlaubnis, jenseits der Saale Holz schlagen zu dürfen, sondern ebenso in dem, was sich darin ausdrückte: die Bereitschaft zur Unterwerfung. Die pünktliche Ankunft des Zinses verwandelte, je öfter sie sich wiederholte, allmählich Willkür in Recht, sein Ausbleiben hingegen stellte den erreichten Zustand in Frage. Darum bedeutete jede Erhebung, auch wenn sie scheiterte, einen Rückschritt.
Stockte die Zahlung des Tributes, oblag es dem Legaten, herauszufinden, welches die Ursache dafür war, und danach die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Hatte jemand infolge einer Mißernte, Seuche oder Fehde Verluste erlitten, pflegte Graf Siegfried in der Regel mit sich reden zu lassen. Kam er jedoch zu der Erkenntnis, daß man ihn täuschen wollte, wagte es einer der Sorben gar, sächsisches Gebiet zu plündern, setzte Siegfried unverzüglich seine Reiter in Marsch. Dabei vermied er es stets, den Betreffenden zugrunde zu richten – denn an wen hätte er sich danach halten sollen? –, sondern beschränkte sich darauf, einige seiner Bauern zu brandschatzen und ein Sühnegeld einzutreiben. Und die sorbischen Häuptlinge, froh, daß sie im Unterschied zu den Daleminzern noch Herr im eigenen Haus waren, hatten sich an Siegfrieds Regime gewöhnt. Mit etlichen von ihnen, denen er gegen räuberische Nachbarn geholfen hatte, verbanden ihn beinahe freundschaftliche Beziehungen. Selbst seine Vergeltungsfeldzüge endeten zuweilen mit einem Gelage, bei dem die Beteiligten, nachdem sie zäh um die Höhe der Buße gefeilscht hatten, Geschenke austauschten.
Dies sollte sich nach dem Willen des neuen Königs nun ändern, und zwar so, daß der Frieden möglichst lange gewahrt blieb. Um diese schwierige Aufgabe zu meistern, hatte Graf Gero bereits im Oktober diesseits der Saale lebende Sorben für Kundschafterdienste gewonnen. Auch Siegfried hatte sich auf solche Leute gestützt, nicht nur, weil sie sich mit den Einheimischen verständigen konnten, sondern ebenso wegen ihres Eifers und ihrer Zuverlässigkeit. Denn da sie Stammesfremde waren, hatten sie alle Ursache, sich mit dem Grafen gutzustellen. Als Händler zogen sie über die Grenze, spähten Wege und Befestigungen aus, sprachen mit Bauern, Fischern und den Handwerkern in den Vorburgen und entlockten ihnen manches, das ein Sachse niemals erfahren hätte. Ihre Berichte bestärkten Geros Entschluß, mit den im Südosten ansässigen Colodici den Anfang zu machen.
Schon einmal, vor hundert Jahren, hatten die Sachsen diesen Stamm bekriegt, zwölf seiner Burgen erobert und dabei den König getötet. Dessen Nachfolger hatte den Kampf unverzüglich abgebrochen und sich unterworfen. Doch das war lange her, und inzwischen kannte das kleine Volk keinen Fürsten mehr. Ein gutes Dutzend Burgherren bestimmte seine Geschicke, darunter ein gewisser Prebor, der anscheinend mit dem Gedanken
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