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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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liebäugelte, sich über die anderen zu erheben. Neunhundertfünfunddreißig, gelegentlich eines Zuges gegen die Siusler, hatte ihn Gero kennengelernt, als er und Siegfried Prebors Gäste gewesen waren. Seine Burg war die größte und am besten befestigte des gesamten Stammes und ihr Besitz daher von unschätzbarem Wert. Außerdem war Prebor wohlhabender als seine Rivalen, keineswegs soviel, um seine Pläne aus eigener Kraft verwirklichen zu können, doch immerhin genug, um den Argwohn seiner Standesgenossen zu erregen. Seine Entmachtung würde von ihnen kaum sonderlich bedauert werden.
    Obwohl er sich deswegen als Opfer geradezu anbot, hatte er auch einen Fehler: Er war noch nicht ein einziges Mal in sächsisches Gebiet eingedrungen und seinen Zinsverpflichtungen bisher stets ohne zu säumen nachgekommen. Er galt als ein schlauer Mann, der seine Raubgelüste nur an Schwächeren zu stillen pflegte; das konnte Zweifel daran erzeugen, daß es sich bei seinem Sturz tatsächlich um eine Bestrafung handelte. Gero rechnete indes damit, daß ihm hier Prebors Unbeliebtheit zu Hilfe kam. Würden nicht die meisten glauben, daß er doch einmal über die Stränge geschlagen und sich dabei übernommen hatte, einfach deshalb, weil sie es glauben wollten? Zudem hatte der Graf vor, noch zwei weitere Burgherren an die Kette zu legen, unbedeutende und wenig begüterte Leute zwar, die aber dafür bekannt waren, daß sie des öfteren jenseits der Saale geplündert hatten. Indem sie sein Schicksal teilten, würde, so hoffte Gero, auch auf den untadeligen Prebor ein Schatten fallen.
    Damit nicht der Verdacht aufkam, er wolle den gesamten Stamm unterjochen, gedachte der Graf, es hierbei bewenden zu lassen. Über etliche Monate hinweg würde er beobachten, wie sich die Dinge entwickelten, und danach im Herbst mit einem Nachbarvolk der Colodici ähnlich verfahren. Ein halbes Dutzend besetzter Burgen würde noch längst keinen Aufruhr hervorrufen, doch den slawischen Adel gewiß beeindrucken und seinen, Geros, Wünschen gegenüber aufgeschlossener machen. Es würde überdies zeigen, daß er nicht untätig war, und denen, die ihm seine Würde mißgönnten, für eine Weile den Mund stopfen. Im folgenden Jahr würde er dann das tun, was er sich nach seiner Rückkehr aus Magdeburg vorgenommen hatte, und sie dadurch, sofern es ihm glückte, endgültig zum Verstummen bringen.
    Anfang April beorderte er die ihm unterstellten Kastellane zu sich, eröffnete ihnen, daß der Einsatz ihrer Schützlinge unmittelbar bevorstand, und legte mit ihrer Hilfe fest, welcher der Männer auf welcher der Burgen verbleiben würde. Bereits zwei Wochen später brach er auf. Seine Streitmacht bestand neben den ehemaligen Räubern aus Dienstleuten der Grafen Christian und Thietmar sowie der Hälfte seiner eigenen Gefolgschaft. Nachdem sie die Bode überquert hatten, ritten sie ein Stück in Richtung Süden, wobei in vorher vereinbarten Orten noch weitere Krieger zu ihnen stießen. So kamen fast zweihundertfünfzig Bewaffnete zusammen, ein für sein Vorhaben gewaltiges Aufgebot.
    Einige Meilen unterhalb der Stelle, wo die Saale am weitesten nach Westen buckelt, ließ er rasten. Erst jetzt teilte er den Räubern mit, was sie erwartete und wer von ihnen ihre Anführer sein würden. Am Morgen darauf ging es über die Saale und auf einem Knüppelweg entlang der Fuhnesümpfe hinein in das Land der Colodici.
    Naßkalter, unregelmäßig wehender Wind peitschte die Gesichter der Männer mit großflockigem Schnee. Ein vorzeitig von der Winterreise heimgekehrter Kuckuck schrie unverdrossen gegen das Schneegestöber an. Aus den verdorrten Büscheln des vorjährigen Grases sprossen grüne Halme, hier und dort leuchteten die gelben Blüten des Huflattichs. Wie ein riesiger Schleier schimmerte das Weiß zahlloser dünnstämmiger Birken.
    Graf Gero nickte Konrad zu, worauf dieser Otfried an der Schulter berührte. Langsamer werdend, aber ohne anzuhalten, ließen sie sich von den anderen überholen. Die Räuber hatten die gestrige Ankündigung mit solch aufreizendem Jubel aufgenommen, daß der Zwist zwischen ihnen und den Kriegern erneut aufgeflammt war. Besorgt, daß es auf dem Marsch zu Streitigkeiten kommen könnte, hatte der Graf daher die Gefolgschaft angewiesen, die ärgsten Hitzköpfe nicht aus den Augen zu lassen.
    Paarweise, ihre Oberkörper im Rhythmus des Sturmes beugend und aufrichtend, ritten die Männer an ihnen vorüber. Schmatzend senkten sich die Bohlen unter den Hufen

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