Brennaburg
übrigens klargeworden, wer ich bin?«
»Als du auf mich zukamst. Hast wohl kalte Füße gekriegt, wie?«
»Bilde dir nur nichts ein.«
»Hast du soviel auf dem Kerbholz?«
»Ich? Unschuldig wie ein Säugling bin ich. Aber man kann ja verwechselt werden.«
»Und woher wußtest du, daß ich dich und nicht einen anderen beobachtet habe? Du hast nicht ein einziges Mal aufgesehen.«
»Das lernt man im Wald. Ich merke sogar, wenn eine Ameise nach mir schielt.«
Konrad fühlte, daß er vor Erregung zu zittern begann. Es war wie früher: Er bestürmte den großen Bruder mit Fragen, dieser machte sich über ihn lustig. »Mir ist, als ob ich träume«, entfuhr es ihm. »Geht es dir auch so?«
Erneut schaute ihn Erich an, als habe er etwas gänzlich Unpassendes gesagt. »Nein«, entgegnete er kühl. »Hab nämlich im Traum noch beide Ohren dran.« Er betastete die leere Stelle. »Warum guckst du mich so an?«
»Wie alt du geworden bist, ich kann es kaum fassen! Was mußt du Ärmster durchgemacht haben!«
»Durchgemacht! Gelebt habe ich, und zwar auf meine Weise. Bin dabei nicht schöner geworden, das ist wahr.«
»Und wie hast du gelebt?«
»Wie es sich für einen Geächteten gehört.« Erich blickte ihm herausfordernd in die Augen. »Habe Kühe besprungen, wenn kein Weib zur Hand war, hab Kinder geschunden, damit sie mir die Schätze ihrer Eltern zeigen, hab Menschenfleisch gegessen, Kirchen geplündert und mehr als einem Pfaffen den Schädel gespalten … Was ist eigentlich aus der Mutter und den Schwestern geworden?« fügte er unvermittelt hinzu.
»Sie sind tot. Die Ungarn …«
»Ach ja«, bemerkte Erich, so gleichgültig, als habe er nichts anderes erwartet. »Und wieso haben sie dich nicht erwischt?«
Konrad senkte den Kopf. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte er tonlos.
»Wird es wohl sein …«
Wieder trat eine Pause ein. Der Bruder betrachtete ihn.
»Prächtig siehst du aus«, stellte er nach einer Weile zerstreut fest. »Trägst sogar ein Schwert. Wo hast du es her?«
»Von meinem Herrn.«
»Von deinem Herrn … Wer ist das? Etwa der da?«
Konrad nickte.
Erich stieß einen Pfiff aus. Seine gelangweilte Miene belebte sich, in seinen aschfarbenen Augen erschien ein Glitzern. »Es geht mich ja nichts an«, äußerte er, die kostbare Waffe anstarrend, »aber da wir nun schon darüber reden, könntest du mir auch verraten, wieso er dir das Ding umgehängt hat.«
Konrad zögerte. »Ich führe die Gefolgschaft des Grafen«, antwortete er schließlich verlegen.
»Was? Sag das noch einmal.«
»Wozu? Hast es doch gehört.«
»Ein Bauernlümmel wie du? Gib zu, du flunkerst!«
»Ich bin es erst seit kurzem«, erklärte Konrad, ein wenig geschmeichelt, daß es ihm gelungen war, den Bruder zu beeindrucken. »Du glaubst nicht, wieviel ich zu tun habe. An manchen Tagen weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht.«
Erich verwüstetes Gesicht rötete sich. Er bohrte die Spitze seines Stiefels in den Morast, zog sie wieder heraus. »So«, sagte er gedehnt, »hast also viel zu tun. Ich glaub's dir, aber ja. Warum sollte ich es bezweifeln?« Mit einem ungewissen Lächeln setzte er hinzu: »Da hätte man ja leicht mal aneinandergeraten können, wie?«
Verdutzt blickte ihn Konrad an. In der Tat, an diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht gedacht … »Es ist verrückt«, sagte er, »doch du hast recht.«
»Nimm an, ihr hättet mich geschnappt. Nimm weiter an, du hättest mich erkannt. Was hättest du gemacht?«
»Laß gut sein«, sagte Konrad befremdet. »Weshalb jetzt darüber sprechen?«
»Weshalb nicht?«
»Weil Gott offenbar nicht wollte, daß es dazu kam.«
»Woher weiß du das?«
»Warum fügte er es wohl, daß wir nun demselben Herrn dienen? Statt uns das Schreckliche auszumalen, das die Vorsehung verhütet hat, sollten wir ihr lieber danken.«
»Amen!« rief Erich, in einem so gehässigen Tonfall, daß Konrad unwillkürlich einen Schritt zurücktrat.
»Wie du redest«, sagte er dumpf.
»Wie denn?«
»Eben so. Bedeutet es dir denn gar nichts, daß wir uns getroffen haben?«
Erich ließ ein abfälliges Krächzen vernehmen. »Weshalb sollte es das? Weil du mein Bruder bist?«
Er lächelte, so wie man über etwas lächelt, über das sich nicht einmal zu lachen lohnt.
»Und wenn schon, mein Herz schlägt deswegen nicht schneller. Gott fügte es – ha!« stieß er plötzlich hervor. »Daß ich in der Hölle schmore, wird er fügen, so steht's! Und du schwafelst was von irgendwelchen
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