Brennaburg
Himbeeren. Was bist du bloß für ein Narr!«
»Kann sein, daß ich ein Narr bin«, erwiderte Konrad ärgerlich. »Aber was bist du? Dein Gewissen quält dich, weil du schwer gesündigt hast. Statt daß du versuchst, mit Gott ins reine zu kommen, beschimpfst du mich.«
»Warum auch nicht? Wer hat denn Schuld daran, daß ich wurde, was ich geworden bin? Solche wie du und dein Graf … Doch ich habe es ihnen heimgezahlt«, sprach er, die Fäuste geballt, schwer atmend weiter. »Ein gutes Dutzend von deiner Sorte habe ich ausgeweidet und an den eigenen Därmen aufgehängt. Und wenn wir diese Ratte erwischt hätten«, er zeigte in Richtung Tor, »wäre es ihr nicht anders ergangen.«
Konrad blickte ihn an. Verwundert nahm er wahr, daß Wut und Verbitterung alles aus dem Gesicht des Bruders getilgt hatten, was ihm eben noch vertraut erschienen war. Und wie von selbst formten seine Lippen jene Worte, die er während der verflossenen Wochen so häufig gebraucht hatte: »Rühme dich deiner Schandtaten, wann immer du willst. Vor zweierlei aber hüte dich: nicht zu gehorchen und den Grafen zu beleidigen. Beides werde ich nicht dulden. Wagst du es trotzdem, lasse ich dich peitschen. Du wärst nicht der erste.«
Erich sah überrascht auf. Seine verzerrten Züge glätteten sich und wichen einem Ausdruck von Neugier. »So einer bist du also«, bemerkte er höhnisch.
»So einer bin ich.«
»Ein ganz Tüchtiger, wie?«
»Geb mir Mühe.«
»Um so besser! Dann wirst du mit meinem Vorschlag sicherlich einverstanden sein.«
»Was für ein Vorschlag?«
»Laß uns keinem auf die Nase binden, daß wir Brüder sind. Meine Leute würden es mir verübeln, und ob dein Graf darüber glücklich wäre, ist zumindest fraglich. Wenn sich jemand erkundigt, woher wir uns kennen, behaupte einfach, wir wären früher Nachbarn gewesen. Ich will nichts von dir und werde dir keine Scherereien machen; komme auch du mir nicht ins Gehege. Sind wir uns einig?«
Konrad zuckte die Schultern. »Warum nicht? Hab wenig Verlangen, mit solcher Verwandtschaft zu prahlen.«
»Da wir gerade dabei sind«, fuhr Erich ungerührt fort, »noch etwas: Am liebsten wär's mir, wir könnten ganz und gar vergessen, daß wir mal aus demselben Loch gekrochen sind. Bruder, Schwester, Mutter, Vater, Hof und Hund«, zählte er mit angeekelter Miene auf, »wozu sich daran erinnern? Tu es, wenn dir so zumute ist, mich aber verschone damit. Es ist mir lästig. Ja, das war es, was ich noch sagen wollte. Was meinst du dazu?«
»Wie du wünschst«, erwiderte Konrad, insgeheim belustigt. Das war Erich, so wie er ihn kannte: Unfähig, auch nur einen Fingerbreit nachzugeben, und dazu neigend, jeden Streit auf die Spitze zu treiben.
»Ich möchte jetzt gehen«, sagte der Bruder schroff. »Das heißt, falls du nichts dagegen hast.« Ohne die Antwort abzuwarten, verneigte er sich knapp, drehte sich um und stapfte davon.
Während Konrad ihm nachsah, entsann er sich plötzlich, daß er in den ersten Jahren auf dem Fronhof unablässig gehofft hatte, Erich werde ihn befreien. Als Anführer einer großen Bande, so hatte er sich ausgemalt, würde der Bruder das Gut überfallen, es niederbrennen und ihn mit in den Wald nehmen. Da lief er nun, und er lief, wie die meisten Räuber liefen, so daß sie von hinten schwer zu unterscheiden waren: steifbeinig und mit hochgezogenen Schultern. Es war der Gang von Männern, die ständig auf dem Sprung sind, ebenso aber der alter Leute, wenn sie Eis oder festgestampften Schnee betraten. Fröstelnd wandte sich Konrad ab.
Als er beim Grafen ankam, war die Pause gerade zu Ende. Eine neue Übung begann. Zwei Knechte hatten eine Strohpuppe auf einem Wagen befestigt und zogen diesen mit Hilfe eines langen Seiles über den Hof. Die Krieger, an die man inzwischen Speere verteilt hatte, mußten sich ungefähr zwanzig Schritt von dem Gefährt entfernt aufstellen und, sobald einer von ihnen aufgerufen wurde, die Puppe zu treffen suchen.
»Das sieht nicht schlecht aus, findest du nicht?« sagte Gero, die Augen vor den Strahlen der sinkenden Sonne abschirmend, nach einer Weile. »Mit wem hast du übrigens gesprochen?«
»Wir wohnten im selben Dorf«, antwortete Konrad.
»Ah, ein alter Bekannter also. Und? Taugt er etwas?«
»Ich weiß nicht. Kämpfen kann er jedenfalls.«
»Hm«, machte Gero, »das ist auch mein Eindruck. Wenn du willst, nimm ihn in die Gefolgschaft auf.«
Konrad runzelte die Stirn. »Nein!« sagte er brüsk.
»Weshalb nicht?«
»Ich
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