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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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dir gehöre, und schwor, dir immer mit ganzer Kraft zu dienen.«
    »Ja, so sprachst du«, bestätigte Gero. »Und trotzdem bist du heute, nur ein Jahr später, im Begriff, das verabscheuungswürdigste Verbrechen zu begehen, das es für einen Mann deines Standes geben kann: das des Ungehorsams. Vollstrecker meines Willens zu sein, so wie es dir zukommt, genügt dir nicht; du hast offenbar deine eigenen Pläne. Ich ziehe nicht in Zweifel, daß sie auch meinen Vorteil berücksichtigen, aber das genügt mir wiederum nicht; kann ich doch niemals sicher sein, daß du ihn richtig deutest. Ein Mensch wie du taugt nicht für die Stellung, in die ich dich berief, und sei er noch so tüchtig. Ich argwöhne das seit längerem und muß mich deshalb nun anklagen, an dem, was sich jetzt offenbart hat, mitschuldig zu sein.«
    Sich zu Konrad herabbeugend, fuhr er fort: »Allein aus diesem Grund werde ich dich nicht bestrafen. Ebensowenig werde ich dich zu diesem Auftrag zwingen. Nicht, um dich zu schonen, sondern weil er jemanden erheischt, der von seiner Notwendigkeit überzeugt ist, was ich von dir wohl nicht hoffen darf. Sollte es allerdings dabei bleiben, so wisse, daß auf meinem Hof kein Platz mehr für dich ist. Zieh, wohin du magst, und suche dir einen neuen Herrn; ich kann es für dich nicht weiter sein.«
    Konrad verfärbte sich und stand schwankend auf. »Herr Graf –«
    »Schweig!« unterbrach ihn Gero. »Du hast Bedenkzeit bis zum Abend. Überlege bis dahin gut, was du mir dann sagen wirst. Und nun geh!«
    Nachdem Konrad die Haustür hinter sich geschlossen hatte, verharrte er. Er gestand sich ein, daß er erwartet hatte, draußen müsse es bereits dunkel sein. Aber es war noch heller Tag. Die Sonne schien, wie sie vorher geschienen hatte, und auch sonst hatte sich kaum etwas verändert.
    Vor der Tenne hatte sich eine Schar Hühner versammelt. Ab und zu schnellte aus dem von einer Staubwolke verhüllten Dreschboden ein nackter Arm hervor und warf ihnen eine Handvoll Körner hin. Am Brunnen füllte die Magd Ida zwei Eimer. Schweifwedelnd strich der Hund Rado um ihre Waden, so lange, bis sie endlich mit der Spitze ihres Pantoffels eine Mulde in die Erde scharrte und Wasser hineingoß.
    Während Konrad zu dem trinkenden Hund schaute, wurde ihm unsagbar traurig zumute. Wie hing er doch an alldem! Wohin er sah, erblickte er Spuren seiner Hände Arbeit. Die Hundehütte war sein Werk, den Eisenhaken an der Schöpfstange des Brunnens hatte er befestigt, beim Bau des neuen Taubenhauses hatte er geholfen und zuletzt bei dem der Palisade. Und stets war er mit Freude bei der Sache gewesen. Leicht und angenehm war ihm sein Leben hier vorgekommen, er hatte sich daran gewöhnt und gemeint, dies werde bis in alle Ewigkeit so sein. Und dann genügte ein Gespräch, um ihn erkennen zu lassen, wie zerbrechlich dieses Glück doch war.
    Dabei zwang ihn eigentlich nichts, es zu gefährden. Und trotzdem – hatte er sich anders verhalten können? Ein Haus, dessen Bewohner ihren Gast getötet hatten, galt als verflucht, einerlei, ob sie es vorsätzlich oder in der Hitze eines Streites getan hatten. Auch, nachdem die Betreffenden Wergeld gezahlt hatten, mied man sie, verweigerte ihnen jegliche Unterstützung, nahm keine von ihnen an, und ohne, daß es dazu einer Absprache bedurft hätte, bildete sich um sie herum ein gleichsam leerer Raum.
    Wer das nicht ertrug, zog davon, einer ungewissen Zukunft entgegen. Das Haus verfiel, denn außer Obdachlosen, die zuweilen in ihm vor der Witterung Schutz suchten, fand sich niemand mehr bereit, in ihm zu wohnen. Die Stelle aber, auf der es gestanden hatte, blieb im Gedächtnis der Menschen noch lange als ein Ort des Unheils verzeichnet.
    Es war schwer zu begreifen, woher der Graf die Zuversicht nahm, daß man ausgerechnet ihm den Tod eines Gastes verzeihen würde. Oder hoffte er etwa, mit Hilfe der von ihm eingeschüchterten Häuptlinge den Hergang der Tat verschleiern, sie vielleicht als einen Unfall darstellen zu können? Doch da hoffte er vergeblich, denn ein Vorkommnis wie dieses ließ sich nicht verschleiern, nicht einmal dann, wenn es ohne Zeugen geschehen war. Die Wunden des Erschlagenen würden in der Gegenwart derer, die ihn umgebracht hatten, unaufhörlich bluten, und selbst wenn man ihn tiefer als gewöhnlich vergrub und mit Steinen belastete, würde er zurückkehren und nachts stöhnend umhergehen. Das Gesinde würde zuerst davonlaufen, auch die Gefolgschaft würde es nicht halten, und

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