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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Schwert.
    »Zwanzig Schritt Abstand!« sagte er zu ihnen.
    Sie kannten seine Gewohnheiten und paßten sich ihnen genau an; doch die Vorstellung, sie könnten seinen Selbstgesprächen lauschen, war ihm so schrecklich, daß er den Befehl stets wiederholte. Er begann zu laufen, zählte dabei seine Schritte, und als er bei zwanzig angelangt war, hörte er, wie sie sich in Bewegung setzten. Er drehte sich um. »Stampft nicht so!« schrie er sie an. Und wirklich mühten sie sich daraufhin, leiser aufzutreten.
    Bald fühlte er, wie sein Blut zu kreisen anfing, das Gehen fiel ihm leichter, ihm wurde warm und behaglich. Der Pfad führte nach Süden, an der Havel entlang. Der Wind trieb graue Wolkenberge über den Himmel, kräuselte das Wasser, rüttelte an Büschen und Bäumen. Die Sonne blitzte auf, verschwand, kam erneut zum Vorschein und ließ das Gefieder einer Schar Schwäne aufleuchten, die mit gemächlichem Schwingenschlag über den Fluß glitten. Auf dem Pfahl einer Reuse saß ein Kormoran und lüftete seine Flügel, aus dem Schilf ertönten die scharfen Rufe von Bleßhühnern.
    Der Pfad krümmte sich und kreuzte einen befestigten Weg, der sich auf dem gegenüberliegenden Ufer fortsetzte – nach Südwesten, zu jenem Ort hin, dessen Namen der alte Fürst so ungern aussprach, wie er ihn hörte. Dort, sagte man in seiner Anwesenheit zumeist, dabei geschwind die Richtung andeutend, und meinte Magdeburg, die Elbe, Sachsen, mit einem Wort: den gefürchteten Nachbarn.
    Während er die Bohlen überquerte, streifte er sie mit einem prüfenden Blick und befand, daß sie wie üblich in einem tadellosen Zustand waren. Früher, als die Handelsstraße noch ausschließlich Kaufleuten gedient hatte, war sie sein ganzer Stolz gewesen. Kostbare Pelze, Schmuck, Silbermünzen, verzierte Waffen, seltene Tiere, edle Weine – einen Gutteil seines Reichtums verdankte er ihr, ebenso Nachrichten, die bei anderen, welche abseits von einer solchen Verbindung lebten, mitunter erst Monate später eintrafen. Denn wer in diesem Gebiet von Westen nach Osten oder umgekehrt wollte, mußte an der Brandenburg vorüber, zahlte Wegegeld und geizte auch nicht mit Geschenken und Auskünften.
    Stets hatte er deshalb Sorge getragen, daß man auf der Straße bequem und sicher reisen konnte. Seitdem indes vor zehn Jahren auf ihr der Feind in sein Land eingedrungen war und sie zur Beförderung des Tributes nutzte, betrachtete er sie häufig mit zwiespältigen Empfindungen. Zuweilen haßte er sie geradezu wie eine Verräterin und hatte sogar schon erwogen, sie verfallen zu lassen. Aber nein, das würde er natürlich nicht tun; allzusehr hing er von ihr ab. Denn womit sollte er die Männer an sich fesseln, auf denen seine Macht beruhte? Es war auch die Straße, die ihm die Mittel dazu verschaffte. Daß sie ihn zugleich verwundbar machte, lag nun mal in ihrer Natur.
    Jener Graf, der ihm vor etlichen Wochen die Botschaft des neuen Legaten überbracht hatte, war ebenfalls auf ihr gekommen. Überraschend höflich war er gewesen, hatte ihm als Geschenk eine goldverzierte Streitaxt überreicht und ihn mehrmals ›Herr Herzog‹ genannt (die sächsischen Gesandten vermieden gewöhnlich eine Anrede oder überließen es ihren Dolmetschern, dann und wann die Bezeichnung ›Knes‹ einzuflechten), kurz, er hatte ihn in keiner Weise wie einen Abhängigen, eher wie einen Bundesgenossen behandelt. Er hatte ihm versichert, daß bezüglich des Tributes alles beim alten bleiben werde, und den Wunsch nach einer Erneuerung des Treueeides folgendermaßen begründet: Einige ›dieser Häuptlinge im Süden‹ (oh, diese Worte hatten gutgetan!) wären offenbar der Ansicht, daß die mit den Sachsen getroffene Vereinbarung durch Graf Siegfrieds Tod ungültig geworden sei, weshalb sich dessen Nachfolger gezwungen sehe, eine Wiederholung des Schwures zu fordern – dies übrigens auch und gerade von einem Herrscher fordern müsse, dessen Ruf über jeden Verdacht erhaben sei, weil nämlich mit seiner Bereitschaft, der Bitte des Legaten stattzugeben, den Aufsässigen jeglicher Vorwand entzogen werde, sich diesem Verlangen zu verweigern. Begreiflich, daß er, Pribislaw, sich zuvor beraten wolle; eine Antwort erwarte man daher nicht sofort, sondern bis zum Ende des Monats.
    Obwohl dies alles durchaus glaubhaft klang, hatte er nach der Abreise des Grafen vorsichtshalber Boten zu den Sorben geschickt und so erfahren, daß in der Tat viele ihrer Oberen ebenfalls eingeladen worden waren, und

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