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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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zwar keineswegs so freundschaftlich wie er. Schroff habe man sie vor die Wahl gestellt, sich unzweideutig zu ihren Verpflichtungen zu bekennen oder, wenn ihnen das nicht gefiele, als Aufrührer behandelt zu werden. Das hatte seinen Argwohn beschwichtigt.
    Ein bißchen befremdlich war es freilich schon, daß der Graf darauf beharrt hatte, alle Fürsten – also auch jene, die den einzelnen Gauen geboten – sollten dem Legaten aufwarten; bisher hatte man sich stets mit seinen, Pribislaws, Zusagen begnügt. Die Begründung leuchtete jedoch ein: Man strebe einen dauerhaften Frieden an, der von allen Häuptern des Fürstentums gewollt und getragen werde. Eine Anspielung auf sein Alter – nun ja. Selbstverständlich war den Sachsen nicht verborgen geblieben, daß der Vertrag mit ihnen nicht nur Befürworter hatte, weswegen sie Vorsorge trafen, daß er auch im Falle seines Todes oder seiner Entmachtung eingehalten wurde. Kein Wunder, daß sie gerade jetzt darauf pochten; wie man hörte, saß der neue König noch längst nicht fest im Sattel. Begreiflich daher, wenn ihm daran gelegen war, daß wenigstens an seiner Ostgrenze Ruhe herrschte.
    Sollte man das übrigens nicht ausnützen und ihnen ein paar Vergünstigungen abhandeln: eine Verringerung des Zinses etwa, die Freilassung von Sohn und Tochter oder gar beides? Ein verführerischer Gedanke, der keineswegs so abwegig war, wie er zunächst anmutete. Der Nachfolger Graf Siegfrieds schien genau zu wissen, was er wollte. Kurz entschlossen hatte er die Burgen einiger widerspenstiger Sorben besetzt, ihn, Pribislaw, aber hofierte er. Das konnte kein Zufall sein. Die Sachsen waren ja nicht stärker geworden; traten sie an einer Stelle härter auf, mußten sie folglich an einer anderen Zugeständnisse machen. So gesehen waren die Artigkeiten des Gesandten zweifellos ein Anzeichen dafür, daß sie eine Verbesserung der Beziehungen wünschten. Ein neuer König, dem innere Wirren die Hände banden, ein neuer Legat, dessen Auftrag es war, ihm den Rücken frei zu halten – es paßte alles zusammen.
    Wie recht er gehabt hatte, als er dem Drängen der Heißsporne widerstanden und sich dem Werben einiger nördlicher Stämme, eine zweite Erhebung zu wagen, verweigert hatte! Einmal, vor nahezu zehn Jahren, hatte er ihnen nachgegeben, und lediglich die mißglückte Flucht der Kinder hatte ihn davor bewahrt, das Schicksal der Empörer zu teilen. Ihre Niederlage war ihm eine Lehre gewesen. Nun hatte es den Anschein, als zahle sich seine Besonnenheit aus, als hätten die Sachsen Vertrauen zu ihm gewonnen. Er wiederum würde ihnen zu verstehen geben, daß seine Zurückhaltung ihren Preis hatte – jawohl, das würde er! Und daß dieser Preis, so wie die Dinge einmal lagen, vermutlich noch steigen würde.
    Je länger er darüber nachsann, desto fester wurde seine Überzeugung, daß ihm die Annahme der Einladung lediglich Vorteile bringen konnte. Trotzdem blieb eine gewisse Unruhe: Immerhin waren es die vornehmsten und mächtigsten Männer des Fürstentums, die sich auf die ungewöhnliche Reise begeben sollten; ein Vorgang ohne Beispiel. Dazu bedurfte es der Zustimmung der Volksversammlung, jener Einrichtung aus alter Zeit, die nur noch dann einberufen wurde, wenn es galt, Entscheidungen von größter Tragweite – wie der Wahl eines Nachfolgers, Kriegszügen und Bündnissen oder Heiraten von Angehörigen des Herrscherhauses über die Stammesgrenzen hinweg – den Anschein allgemeiner Billigung zu verleihen. Der gesamte Adel sowie die Dorfältesten waren in ihr vertreten und hatten Entschlüsse, die der Fürst nach Beratung mit den Oberen gefaßt hatte, durch lautstarken Beifall zu unterstützen.
    Höhepunkt des Treffens war die Befragung des Stammesgottes Triglav durch den Obersten Priester. Ihr Ergebnis stand gleichfalls fest, einerlei, ob es mittels Loswurf oder Abschmecken von Opferblut erzielt wurde, denn er, Pribislaw, war kein Fürst, der sich von Priestern bevormunden ließ. Bereits sein Großvater hatte ihren Einfluß gebrochen und sie in gefügige Werkzeuge verwandelt; einige, die sich damit nicht hatten abfinden wollen, fand man bald darauf tot in der Havel. Auch der Enkel duldete bei ihnen keinerlei Zweifel, daß er Triglavs Willen viel rascher und genauer zu deuten vermochte als Leute ihres Schlages. Denn wozu sollte sich der Gott an sie wenden, wenn er sich mit dem reichsten und mächtigsten Mann direkt verständigen konnte?
    Den jetzigen Oberpriester kannte er von

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