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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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wirklich so verhielt. Er dürstete, hungerte und fror ohne Aufhebens, und genauso trank, aß und wärmte er sich auch. Er prahlte nicht mit dem, was er zu sich nahm, sondern mit dem, was er gab. Die Sachsen indes pflegten von einem Gelage nicht selten wie von einer gewonnenen Schlacht zu sprechen, bei welcher die Menge der vertilgten Speisen und Getränke nicht nur dem Gastgeber, sondern ebenso den Gästen zum Ruhm gereichte (Lediglich ihre Priester brüsteten sich dessen nicht, stellten dafür aber gern ihre Bescheidenheit zur Schau). Des weiteren gefielen sie sich häufig darin, Fremden sogleich von ihren Angelegenheiten zu erzählen und dabei so zu tun, als sei dies eine Auszeichnung. Der Slawe hingegen fragte zunächst nach denen des anderen und redete nicht früher von den eigenen, als bis man ihn wenigstens zweimal darum gebeten hatte.
    Ratibor hatte es längst verlernt, sich über die Sitten der Sachsen zu wundern. Das vertrauliche Gebaren dieses Grafen jedoch erregte seinen Argwohn. Thietmar war kaum älter als er und, wie er freimütig zugegeben hatte, weder sehr vermögend noch einflußreich. Daß er so vielen Männern von Rang das Geleit geben durfte, war selbst dann eine Ehre für ihn, wenn man einräumte, daß es sich bei ihnen bloß um Häuptlinge handelte. Befangenheit war ihm jedoch nicht anzumerken – im Gegenteil. Seit ihrer Ankunft hatte er sich mit ihm, Ratibor, unterhalten, als seien sie alte Bekannte. War er so einfältig oder einfach schlecht erzogen? Oder war seine Treuherzigkeit nur eine Maske?
    Er streifte ihn mit einem Blick, und auf einmal schien es ihm, als ob er ihn zu Unrecht verdächtigte. Plump sah er aus, doch nicht verschlagen. Die Anspielung auf die Räuber hatte ihn nicht aus der Fassung gebracht (Der Gedanke, daß man sich ihrer mittels eines vorgetäuschten Überfalls entledigen könnte, war Ratibor bereits am Vortag gekommen). Sein Grimm auf den Habicht und die verschmitzte Gier, mit der er über den Wein gesprochen hatte, waren zweifellos nicht geheuchelt gewesen. Konnte ein Mann, der davon wußte, sich derart verstellen?
    Einige Stunden später, die Sonne hatte sich schon längst hinter den Bäumen verkrochen, streckte Graf Thietmar plötzlich den Arm aus und zeigte auf ein steinernes Kreuz, das am Wegrand zwischen Brombeergestrüpp aus der Erde ragte. »Noch eine reichliche Meile, vielleicht auch zwei«, gab er bekannt. »Dann haben wir es mit Gottes Hilfe geschafft.«
    Die Männer hielten an und betrachteten das Kreuz. »Was sagte er?« fragte Pribislaw mit belegter Stimme.
    »Daß wir bald am Ziel sind.«
    »Und was bedeutet das dort?«
    »In dieser Gegend wurde jemand umgebracht. Die Familie des Täters verglich sich mit der des Getöteten, und zum Zeichen der Einigung stellte man das Kreuz auf. Das ist bei ihnen so Brauch.«
    »Umgebracht«, wiederholte Pribislaw. Sein Gesicht wurde fleckig. »Erkundige dich doch bei ihm, ob sie jedem, den sie umbringen, solch ein Ding setzen«, preßte er hervor.
    »Der Fürst möchte sicherlich wissen, was es mit dem Kreuz auf sich hat«, äußerte Thietmar. »Nun, ich werde es ihm –«
    »Ich habe gesagt«, unterbrach ihn Ratibor.
    »Richtig, du bist ja mit unseren Sitten vertraut.« Thietmar hob die Hand. »Was haltet ihr übrigens davon, wenn wir uns ein bißchen beeilten? Es wird bald dämmern. Seid unbesorgt, die Straße ist in einem guten Zustand; es benutzt sie auch der König, wenn er von Magdeburg nach Süden reist. Also, ihr Herren, was meint ihr zu meinem Vorschlag?«
    Ratibor schaute zu Pribislaw, der wie gebannt auf das Steinkreuz starrte. »Er bittet uns darum, schneller zu reiten. Es handelt sich nur noch um ein kurzes Stück. Was soll ich ihm antworten?«
    Ruckartig hob der Fürst den Kopf. »Antworte ihm, was du willst«, sagte er dumpf.
    Die Männer sahen ihn erstaunt an und begannen zu flüstern. Ratibor beugte sich vor. »So beherrsche dich doch!« sagte er leise. Und zu Thietmar: »Wir haben nichts dagegen.«
    Der Graf wendete sein Pferd und spornte es an. Ohne Verzug preschte ihm Ratibor hinterher, worauf die anderen folgten. Den Schluß bildeten Thietmars Krieger. Im Galopp ging es durch den Wald. Von der Abendsonne rötlich gefärbte Kiefernstämme huschten an ihnen vorüber; Licht und Schatten wechselten so geschwind, daß die Männer, um nicht geblendet zu werden, ihre Augen mit den Schilden abschirmen mußten.
    Die Straße senkte sich, der Wald trat zurück. Ein Hohlweg nahm sie auf, und nachdem hinter

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