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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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ihnen wie unvernünftiges Vieh in die Falle gegangen?«
    Damit hatte er sie auf seine Seite gezogen. Er, Pribislaw, hatte ihm insgeheim ebenfalls beigepflichtet, sich indes, um sein Gesicht zu wahren, den Anschein gegeben, als füge er sich lediglich dem Verlangen der Mehrheit.
    Bereits drei Tage später hatte er sich hierzu beglückwünschen können; da nämlich war ein burgundischer Kaufherr mit der Meldung eingetroffen, daß der Aufstand gegen den König gescheitert sei und die Empörer getötet oder verbannt worden wären. Wie war er bei dieser Nachricht zusammengefahren! – freilich nicht, ohne dabei auch eine tiefe Befriedigung zu empfinden: Deutlich genug hatte Triglav kundgetan, daß er keineswegs gesonnen war, sich bei der Übermittlung seiner Empfehlungen des überschlauen Ratibor zu bedienen, sondern daß er nach wie vor der Person des Fürsten den Vorzug einräumte.
    Sogleich hatte er wieder die Männer zu sich gerufen, und diesmal hatte es ihn keine Mühe gekostet, sie umzustimmen – so groß war ihre Bestürzung ob der unverhofften Neuigkeit. Ratibor hatte seine Niederlage gelassen hingenommen, auf seiner Meinung jedoch beharrt. Gefragt, ob er etwa daheimbleiben wolle, hatte er einen Moment wie abwesend vor sich hingeblickt und dies dann beinahe erstaunt verneint. Damit war er vollends unglaubwürdig geworden; denn wer begab sich schon so gleichmütig in die Gefangenschaft oder gar den sicheren Tod?
    Die Volksversammlung hatte getagt. Das Blut eines geopferten Stieres war verströmt und gebärdenreich verkostet worden, wonach der Priester befunden hatte, daß der Gott dem Vorhaben seinen Segen erteile. Die Versammelten hatten mit ihren Waffen Beifall geklirrt. Ein Bote war abgeschickt worden, der den Legaten unterrichtet hatte, daß man seiner Aufforderung Folge leisten werde.
    Alles war nach dem Willen des alten Fürsten verlaufen, doch seitdem feststand, daß die ungewöhnliche Reise stattfinden würde, befielen ihn immer häufiger Zweifel. Betrog er sich nicht selbst, wenn er annahm, daß ihm die Sachsen vertrauten? Zwar war er seinen Verpflichtungen stets zuverlässig nachgekommen, hatte dabei jedoch den Eindruck zu vermeiden gesucht, daß er ihr Verbündeter sei. Ihren Wunsch, er möge sich an der Abwehr der Ungarn mit Hilfstruppen beteiligen (Hatte er auf diese Weise vielleicht geprüft werden sollen?), hatte er nicht direkt abgelehnt, seine Erfüllung aber so lange hinausgezögert, bis es dessen nicht mehr bedurfte. Daß er sogar mit den rebellischen Redariern ausgezeichnete Beziehungen unterhielt, war den Sachsen gewiß als das Bestreben erschienen, sich rückzuversichern. Konnte es daher nicht sein, daß ihnen ein Fürst, der weder Feind noch Freund sein wollte, besonders gefährlich, weil unberechenbar vorkam? Andererseits hatte er ihnen immer wieder zu verstehen gegeben, daß er nichts mehr fürchtete, als sie vor den Kopf zu stoßen – und sie möglicherweise dadurch auf den Gedanken gebracht, ihn in diese (wenn es denn eine war) Falle zu locken.
    Tagsüber dünkte es ihn nicht selten, daß es sich bei alldem ebenso um Hirngespinste handeln könnte. Doch sobald es dunkelte, schwand seine Zuversicht. Oft träumte er von sprechenden Vögeln, und auch ein Bär geisterte durch seine Nächte, der auf den Hinterbeinen lief und höhnisch brummend mit der Tatze auf ihn zeigte. Erwachte er, sah er Ratibors abweisende Miene vor sich. Dann erfaßte ihn ein schmerzliches Verlangen, ihm sein Herz auszuschütten. Warum hast du nur so rasch aufgegeben, du rätselhafter Mensch, begann seine stumme Zwiesprache. Du bist so klug wie keiner von uns. Dich allein hat Triglav erwählt, das habe ich nun begriffen. Weshalb bist du also nicht hartnäckiger gewesen? … Aber Ratibor war wieder auf seine Burg zurückgekehrt, und was immer geschehen würde: Nicht einmal er konnte es noch verhindern.
    Von Schwermut gepeinigt, schritt der alte Fürst dahin. Als er die Insel zum zweiten Mal umrundet hatte, sah er am klaren Abendhimmel den Mond. Lediglich ein kleines Stück fehlte ihm noch zur vollen Scheibe. Während er zu ihm hochschaute, entrang sich ihm ein Stöhnen. War es überhaupt vorstellbar, daß dort ein Mann, vornehmer Herkunft wie er, seelenruhig ihrer aller Gefangennahme oder Ermordung vorbereitete? Ja, gab er sich sogleich zur Antwort, das ist es wohl.
    Er blieb stehen und sprach, ohne sich um die Leibwächter zu kümmern, halblaut vor sich hin: »O Triglav, ich flehe dich an, mache, daß ich mich

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