Brennaburg
nur, um zu rülpsen oder zu furzen. Wein und Tunke sickerten aus ihren Mündern, rannen ihnen auf die Kleider, tropften zu Boden oder bildeten auf der Tischplatte Lachen. Durch die nur angelehnte Tür zwängten sich Katzen und taten sich an den Speiseresten unter der Tafel gütlich.
Abermals gossen die Mägde Soße in die Schälchen, brachten volle Kannen, und nachdem sie die Schüsseln abgeräumt hatten, trugen sie einen neuen Gang auf: gekochtes Schaffleisch mit eingelegtem Kraut und in Schmalz gebackene Tauben. Seufzend lockerten die Männer ihre Gürtel, nickten sich aufmunternd zu und schlangen weiter.
Ratibor blickte zu den drei Sachsen, konnte indes an ihnen nichts Auffälliges entdecken. Auch sie aßen und tranken so hastig, als gälte es, eine Wette zu gewinnen. Er beschloß, auf den Hof zu gehen, und gab Pribislaw mit dem Fuß ein Zeichen, ihm zu folgen. Der Alte starrte ihn wie abwesend an und wandte sich dann unwirsch knurrend von ihm ab …
Draußen verharrte Ratibor. Der Abend war kühl und sternenklar. Am Himmel gleißte, von einem Wolkenfädchen geteilt, die silberne Scheibe des Mondes. Ein Hund schlug an, verstummte. Auf der Überdachung des Brunnens sah Ratibor die Umrisse eines Käuzchens. Plötzlich strich der Vogel ab, wonach gleich darauf nur wenige Schritte entfernt ein verzweifeltes Fiepen ertönte. Aus der Richtung, in der sich das für die Krieger bestimmte Gebäude befinden mußte, war Gelächter zu hören. Auf der dammartigen Erhöhung an der Innenseite der Palisade spazierten Posten entlang.
Eine Tür klappte, zwei Bewaffnete traten heraus und blieben, als sie Ratibor bemerkten, stehen. »Sei gegrüßt, du vollgefressenes Schwein«, sagte der eine. Lachend liefen sie weiter.
Bemüht, ein wenig zu schwanken, ging Ratibor zum Garten, stellte sich an den Zaun und schlug sein Wasser ab. Er vernahm ein Keuchen, drehte sich um und gewahrte eine Gestalt, die stolpernd auf ihn zueilte.
»Ich bin's, Miloduch«, sagte der Ankömmling schleppend. Er legte ihm die Hand auf die Schulter. »He, was ist, du Strolch von einem Barbaren! Ich habe dich doch nicht etwa erschreckt?«
Gereizt schüttelte Ratibor die Hand ab. »Wir hatten vereinbart, uns zu mäßigen«, sagte er leise.
»Sich mäßigen!« wiederholte Miloduch. »Mäßige dich doch, wenn du das Verlangen danach hast; uns laß besser in Frieden.«
»Praßt nur so weiter, und sie können euch bald mit einem Fußtritt erledigen.«
»Und wenn schon, nach einem solchen Fest stirbt es sich leicht!«
»Sprich nicht so laut, du Esel!«
Ratibor ging ein paar Schritte zur Seite, aber Miloduch kam ihm nach, packte ihn an beiden Schultern und wirbelte ihn herum.
»Abscheulich bist du, Ratibor!« sagte er voller Erbitterung. »Überall witterst du Unheil und Verrat, und ständig möchtest du uns deine Ansichten aufzwingen. Alle sind guter Dinge, du aber gebärdest dich, als ob man uns vergiften wollte. Stocherst in deiner Schüssel herum, beäugst jeden argwöhnisch, vom Wein nippst du wie ein Vögelchen. Dein Anblick ist mir richtig zuwider.«
»Denken noch mehr so wie du?« fragte Ratibor heiser.
»Alle denken so! Ratibor verwindet es nicht, daß er sich getäuscht hat, heißt es, und statt sich damit abzufinden, bereitet er uns lieber Schande, indem er unseren Gastgeber vor den Kopf stößt. Weißt du, was die Bulgaren mit jemandem machen, der sich stets schlauer dünkt als alle anderen? Ein Kaufmann hat es mir erzählt. Sie sagen zudem Betreffenden: Du bist der Klügste und Würdigste von uns, nur dir kommt es zu, unserem Gott zu dienen. Sorgen wir also dafür, daß du ihm recht nahe bist! Und dann hängen sie ihn an einen Baum, und zwar möglichst hoch. Was meinst du, vielleicht sollten wir auch mit dir so verfahren?« Und ohne die Antwort abzuwarten, stapfte er davon.
Ratibor schaute ihm hinterher, und nachdem Miloduch im Haus verschwunden war, setzte er sich ebenfalls in Bewegung. In diesem Moment öffnete jemand geräuschvoll die Tür, trat heraus, stürzte hin, erhob sich schimpfend und lief torkelnd weiter. Ratibor lief an ihm vorbei, da rief ihm der andere mit schwerer Zunge zu: »Wo kann man sich denn hier erleichtern?«
Wortlos zeigte Ratibor zum Garten.
»Verflucht! Ich sehe nichts! Tu mir den Gefallen und führe mich hin.«
Ratibor faßte ihn unter und ging mit ihm zurück. »Du traust ihnen nicht, wie?« sagte der Mann plötzlich gedämpft, doch mit klarer Stimme.
Verdutzt schaute ihn Ratibor an, dann erkannte er ihn: Es
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