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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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indem er häufig um zusätzliche Erklärungen bat. Sein junger Gefolgsmann, der bisher noch nicht ein einziges Mal den Mund aufgetan hatte, hörte hierbei aufmerksam zu und schien sich jedes Gesicht und jede Einzelheit genau einprägen zu wollen, wohingegen Graf Thietmar deutlich erkennen ließ, daß ihn dies alles wenig fesselte. Die Gäste, halb geschmeichelt, halb ungeduldig, rutschten vernehmbar atmend auf ihren Stühlen herum, aber Gero ließ sich davon nicht beirren.
    »Verzeiht meine Neugier«, sagte er, als man endlich fertig war, »doch ich bin ein Mann, der sich von denjenigen, mit denen er Umgang zu pflegen gedenkt, möglichst rasch ein Bild machen möchte. Aber nun genug geredet; laßt uns sehen, was meine Köchinnen uns zubereitet haben. Konrad!«
    Er nickte dem Burschen zu, worauf sich dieser das blonde Haar aus der Stirn strich, zu der hinteren Tür lief und mit der Faust dagegenhieb.
    Im Rahmen zeigte sich der gekrümmte Körper eines Knaben, der eine Kanne schleppte und sie an der Wand absetzte. Ein zweiter folgte, ein dritter, und so ging es fort, bis das Dutzend voll war. Während einige Jungen den Inhalt der Kannen in Krüge gossen und diese auf die Tafel stellten, verteilten weitere Becher und Löffel, brachten Körbe mit geschnittenem Brot, Gewürznäpfchen sowie Schalen, auf denen sich Obst und Gemüse türmten: enthäutete Knoblauchzehen und Zwiebeln, Selleriescheiben, Rettiche, Mohrrüben, Äpfel und Birnen.
    Nach ihnen erschienen Mägde mit Schüsseln, aus denen es dampfte. »Krammetsvogel in Safranbrühe gekocht!« rief der Blonde, wobei er aus irgendeinem Grund errötete. Als Ratibor ihn fragend anschaute, erläuterte er, daß es sich dabei nicht etwa um die Amsel, sondern um die Wacholderdrossel handelte. Den Männern war das offenbar einerlei: sie hatten schon angefangen zu essen.
    Andere Frauen trugen inzwischen Platten herein, auf denen armlange, von gerösteten Rotfedern umkränzte Raubfische ihre spitzzahnigen Mäuler aufsperrten; hierzu wurde eine Tunke gereicht, in der Speckwürfel schwammen. »Sauer gesottener Hecht!« gab Konrad bekannt, aber auch diesmal kamen die meisten der Übersetzung zuvor. Ächzend schoben sie die Schüsseln beiseite, zogen ihre Messer aus den Scheiden, schnitten sich Stücke aus den Hechtleibern und beträufelten sie mit Tunke. Gemurmel wurde laut, das hier und dort in ausgelassenes Gelächter oder ersticktes Stöhnen überging.
    Graf Gero, im Begriff, eine kleine Rotfeder zu entgräten, hielt inne. »Was ist mit ihnen?« erkundigte er sich.
    »Diese Flüssigkeit ist scharf«, preßte Ratibor hervor. Er hatte ebenfalls von ihr gekostet und danach beschlossen, sie fortan zu meiden. Seither benagte er sorgfältig die Knochen seiner schmächtigen Drossel.
    »Das möchte sie wohl sein«, erwiderte Gero. Er spießte eine Hälfte seines Fisches auf, tauchte sie in das Schälchen vor ihm, führte sie zum Mund und zuckte zusammen. »Bei Gott, du hast recht«, flüsterte er, »das Zeug hat es in sich.« Er schüttelte sich, faßte nach seinem Becher und leerte ihn in einem Zug.
    Konrad beugte sich vor. »Diese Tunke besteht aus Met, Honig, Pfeffer und Salbei«, sagte er zu Ratibor. »Du solltest sie nicht verschmähen, Herr, denn sie ist gesund. Es heißt bei uns, daß sie die schlechten Säfte vernichtet.«
    »Bei uns heißt es auch so«, antwortete Ratibor. »Aber wenn ich sie esse, trinke ich zuviel, und wenn ich zuviel trinke, bin ich wie ein Kind«, sprach er, den anderen nicht aus den Augen lassend, weiter.
    »Wie es aussieht, bist du hier der einzige, der sich davor fürchtet.« Der Blonde lächelte. »Bald werden wir alle wie die Kinder sein.«
    Er wies in den Raum. Tatsächlich wirkten die Männer auf einmal wie verwandelt, sogar diejenigen, die sich bis jetzt zurückgehalten hatten. Nach Luft schnappend, rissen sie einander die Weinkrüge aus den Händen, füllten ihre Becher, tranken sie aus, füllten sie erneut und machten sich wieder über das Essen her. Auf ihren Gesichtern perlte Schweiß, die Bärte glänzten gelblich von Safran und Fett. Jede ihrer Bewegungen verriet Behagen und Gier sowie den Wunsch, sich diesen Empfindungen gänzlich auszuliefern. Begeistert stießen sie einander an, wenn ihnen der Knoblauch oder die gepfefferte Soße den Rachen versengte, verdrehten dabei die Augen und schütteten wohlig grunzend das löschende Getränk in sich hinein. Atemlos spuckten sie Gräten und Knöchelchen aus, und wenn sie eine Pause einlegten, dann

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