Brennaburg
ist. Nein, ich habe keine Angst vor ihnen. Ich verstehe ihre Sprache ein bißchen und habe mich mit etlichen von ihnen unterhalten. Wenn sie vorhätten, uns zu betrügen, müßte man es doch zumindest einem von ihnen anmerken. Aber ich schwöre euch, ich fand nicht einen einzigen, der sich mir gegenüber gezwungen, schmeichlerisch oder sonstwie verdächtig benommen hätte … Riecht ihr denn nichts?« fügte er bedeutungsvoll lächelnd hinzu, so, als seien die Küchendüfte, die seine Nase kitzelten, eine weitere Gewähr dafür, daß man ihnen kein Leid antun würde.
Ratibor betrachtete die anderen Sorben, und wohin er schaute, blickte er in Mienen, denen Vorfreude und Zuversicht anzusehen waren. Kein Zweifel, dieser Semil hatte nur ausgedrückt, was alle glaubten, weil es jeder von ihnen glauben wollte. Für einen Moment spürte er die Versuchung, sich von ihrer Einfalt anstecken zu lassen, doch dann sagte er: »Laßt uns trotzdem auf der Hut sein. Insbesondere sollten wir es vermeiden, uns zu betrinken, selbst dann, wenn sie uns dazu nötigen wollen, indem sie die Gekränkten spielen. Wir –« Er brach ab, denn er bemerkte, daß ihn die offenkundig bereits etwas bezechten Männer verständnislos anstarrten.
»Darf ich bitten, ihr Herren?« rief ihnen Graf Gero mit ausgebreiteten Armen vom Eingang seines Wohnhauses aus zu.
»Vorwärts, ihr slawischen Hunde!« sagte Miloduch gedämpft. »Fressen wir sie kahl, auf daß sie bis an ihr Lebensende mit Schaudern an uns denken.« Lachend setzten sich alle in Bewegung …
Vor einer Tür gebot ihnen der Graf Einhalt. »Herzog Pribislaw zuerst, falls ihr gestattet«, sagte er und faßte den Fürsten am Ellbogen.
Zögernd betraten die Männer die von Fackeln erhellte Festhalle, die, gemessen an der Größe des Hauses, überraschend geräumig wirkte. In ihrer Mitte befand sich eine lange, von Stühlen gesäumte Tafel, an der Fensterwand standen mehrere wassergefüllte Bottiche. Eine zweite Tür ihr gegenüber führte ins Innere des Hauses. Die Dielen waren mit feinem weißem Sand bestreut.
Nachdem sich jeder gereinigt hatte, geleitete der Graf Pribislaw und Ratibor zu der Stirnseite der Tafel, an der Thietmar sowie ein hochgewachsener junger Mann Aufstellung genommen hatten. Er trug als einziger keinerlei Schmuck und blickte ihnen mit gespannter Aufmerksamkeit entgegen.
Während sie wie auch die Gäste Platz nahmen, blieb Gero stehen, räusperte sich und sagte: »Nun, ihr Herren, möchte ich euch mit jenen beiden Männern bekanntmachen, die uns heute abend Gesellschaft leisten werden. Zu meiner Linken seht ihr Graf Thietmar, einige von euch lernten ihn bereits kennen. Und dieser Jüngling ist Konrad, der Befehlshaber meiner Leibwache. In den kommenden Stunden wird es seine Aufgabe sein, mich, so erforderlich, daran zu erinnern, daß es dem Hausherrn zwar zur Ehre gereicht, wenn der Wein seinen Gästen die Zunge lähmt, nicht jedoch, wenn ihm dieses selbst widerfährt … Aber sei nicht allzu besorgt um meinen Ruf«, setzte er mit einem Blick auf den jungen Gefolgsmann hinzu, »sonst könntest du es bereuen.«
Schmunzelnd wartete er, bis Ratibor das verdolmetscht hatte, und fuhr dann fort: »Was Graf Christian betrifft, der euch meine Botschaft überbrachte, so habe ich ihn beauftragt, über den ungestörten Verlauf unserer Feier zu wachen. Während wir es uns hier gutgehen lassen, wird er mit einer Schar ausgewählter Krieger bis zum Morgen in etlichen Meilen Abstand meinen Hof umrunden und uns, sofern etwas seinen Verdacht erregt, unverzüglich alarmieren. Und jetzt bitte ich darum, daß ihr mir die Euren vorstellt.«
Pribislaw erhob sich, glättete seinen Bart und begann. Erstaunt nahm Ratibor wahr, daß es der Alte ziemlich eilig hatte. An sich war es bei solchen Gelegenheiten üblich, ausführlich von den Taten und Verdiensten seiner Gefährten zu berichten; das Essen schmeckte ihnen danach noch einmal so gut. Die Größe ihres Besitzes, siegreich bestandene Fehden samt der dabei gemachten Beute, die Höhe des Lösegeldes, das der Betreffende für namhafte Gefangene bekommen hatte – nichts, das geeignet war, jemanden in ein vorteilhaftes Licht zu rücken, wurde in der Regel unterschlagen. Doch sei es, daß sich der Fürst der sachlichen Art des Grafen anpassen wollte, oder daß ihn einfach der Hunger plagte, jedenfalls faßte er sich kurz.
Auch die Sorben hielten sich zurück. Sonderbarerweise war es Gero, der diesen Teil des Festes in die Länge zog,
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