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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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und her. Erst jetzt erkannte Ratibor, daß jener Laut, der ihn an die Rufe von Gänsen erinnert hatte, von Menschen herrührte, die verzweifelt schrieen.
    Vor Grauen wie betäubt, schaute er zu der brennenden Scheune. Ein Plätschern weckte ihn aus seiner Erstarrung. Er trat an die Brüstung, spähte hinunter, und als sich seine Augen an die Schwärze gewöhnt hatten, sah er, daß jemand über den Graben lief. Für kurze Zeit glaubte er, daß ihn ein Trugbild narrte; dann verstand er: sie hatten Bretter auf die Pfähle gelegt.
    Der Mund wurde ihm trocken. Aufs Geratewohl griff er über den Rand der Palisade, berührte ein Stück Seil, zupfte daran und fühlte, daß es straff gespannt war. Er zog sein Schwert, holte aus und schlug schräg von oben dorthin, wo soeben noch seine Hand gewesen war. Er vernahm einen dumpfen Aufprall, dem ein erstickter Fluch folgte. Er rieb den Handrücken mit Erde ein, hängte erneut den Arm über die Brüstung und lief, so geschwind er konnte, weiter. Schiefer spießten sich in seine Fingerkuppen, die Haut beiderseits der Achselhöhle schmerzte, als habe sie etwas versengt.
    Auf einmal hörte er ein Schnaufen. Er riß den Arm zurück, und im nächsten Moment erbebten die Pfosten unter einem Hieb. Blitzschnell beugte er sich vor und erblickte einen hellen Fleck, das Gesicht eines Mannes, der keuchend an seiner Axt zerrte, die sich anscheinend in einer Fuge festgeklemmt hatte. Der Mann ließ den Stiel der Axt los und versuchte, mit der Rechten den Schild, den er über den linken Oberarm gesteckt hatte, abzustreifen. Ratibor reckte sich und stach, zwischen die schimmernden Zahnreihen zielend, in den geöffneten Mund. In das Knirschen brechender Zähne und Wirbel mischte sich ein leises Stöhnen, dann stürzte der Körper nach unten. Zwei Gestalten, die einige Schritte weiter gerade im Begriff waren, emporzuklettern, machten hierauf eilig kehrt.
    Rasch löste Ratibor die Leiter vom Haken und ließ sie fallen. Dabei gewahrte er einen Mann, der sich hinter ihm anschickte, die Palisade zu übersteigen. Er hatte bereits einen Fuß auf den Rand gestellt, stützte sich mit der linken Hand ab und holte Schwung; deutlich war sein pfeifender Atem zu vernehmen.
    Ratibor stieß einen kurzen Schrei aus, worauf der andere zusammenzuckte und abwehrend die Axt vorstreckte. Mit dem Schwert fuchtelnd, stürmte Ratibor auf ihn zu, blieb jäh stehen und neigte sich zurück. Er spürte den Luftzug der niedersausenden Axt. Der Sachse verlor das Gleichgewicht, und noch während er vornüberkippte, hieb Ratibor auf ihn ein. Der Schlag traf lediglich den Schild, riß jedoch den Körper von der Brüstung auf die Erde hinunter. Erneut schwang Ratibor das Schwert, da ertönte in seinem Rücken ein Poltern. Ohne sich zu besinnen, schnellte er herum und lenkte den Hieb, der für den Liegenden bestimmt war, nach hinten, wobei sich das Geräusch wiederholte. Er stutzte, dann begriff er, daß es von herabrollenden Steinen stammte, die er am Rand der Böschung losgetreten hatte.
    Im selben Augenblick fühlte er in seinem rechten Unterschenkel ein Stechen. Eher verblüfft als wütend, drehte er sich um und schlug auf den anderen ein, bis dieser kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Nach Atem ringend, betastete er hierauf die Wade. Zwei Handbreit oberhalb des Fußknöchels klaffte eine etwa fingerlange Wunde, die jedoch nur mäßig zu bluten schien. Er richtete sich auf, humpelte vorwärts, und schon bald strauchelte er über die Strickleiter, die er hochgezogen und auf den Damm gelegt hatte. Neben ihr lehnte die Gabel.
    Sich mit einer Hand an ihren Schaft klammernd, raffte er mit der anderen die Strickleiter zusammen und nahm auf ihr Platz. Nun erst drang in sein Bewußtsein, daß auch an den übrigen Stellen des Hofes der Kampf längst entbrannt sein mußte. Von überall her erschollen Geschrei und Waffengeklirr, und in das Gebrüll des Viehs mischten sich die Schreckensrufe von Frauen.
    Wo mochte Semil sein? Hatte er die Männer noch warnen können?
    Er strich über den Pfosten hinter sich und leckte Tau von den zerschundenen Fingern. Sein Herz klopfte rasend, vor seinen Augen wirbelten farbige Punkte, Arme und Beine zitterten, als habe er seit dem Morgen pausenlos Steine geschleppt. Erschöpft schloß er die Lider. Ruh dich ein wenig aus, sagte er sich, nur einen Moment, so lange, bis das verdammte Herz aufgehört hat, so wild zu schlagen. Dann stehst du auf und gehst zu den anderen …
    Elf Männer, die meisten leicht

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