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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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verwundet, hatten sich ins Haus flüchten können, in jenen Raum, in dem sie noch bis vor kurzem gezecht hatten. Sie rückten die Wasserfässer vor die Ausgänge, türmten Tische und Stühle darauf, und obwohl allen klar war, daß sie das nicht mehr retten würde, schufteten sie, als ob es eine Belagerung zu überdauern gälte. Niemand sprach dabei ein Wort. Auch auf dem Hof war es, bis auf das Schleifen von Füßen, still geworden.
    Als sie fertig waren, stellten sie sich mit blanker Waffe zu beiden Seiten des Fensters und der äußeren Tür auf. Der alte Fürst hatte sich als einziger gesetzt. Zuweilen fiel sein Blick auf die Reste des Mahles, die man entlang der Wände auf die Dielen geschüttet hatte. Dann verwünschte er, daß er nicht an der Palisade gestorben war, sondern sich hierher verkrochen hatte, hier, wo ihn alles daran erinnerte, daß er sich wie ein Narr betragen hatte. Hier hatte er geschlungen und getrunken, zuversichtlich, daß seine Entscheidung richtig und die Ängste der vergangenen Wochen grundlos gewesen waren. Hier hatte er jenen beleidigt, der als einziger ihr Schicksal vorausgesehen und es dennoch geteilt hatte. Und wie zum Hohn würde hier auch bald sein Leichnam liegen, ein blutbesudeltes Bündel inmitten von Abfällen und Weinlachen.
    Während er die bleichen Gesichter der Gefährten betrachtete, dachte er, daß alles, was er in seinem Leben vollbracht hatte, in dieser einen Nacht wertlos geworden war. Die Siege, auf die er so stolz gewesen war, die Freuden und Genüsse, die er gesammelt hatte, als könnte er noch im Jenseits von ihnen zehren, sie hatten sich auf einen Schlag in Asche verwandelt. Er dachte daran, daß man ihn ohne Grabbeigaben bestatten und daß deshalb sein ganzer Besitz in der anderen Welt die Verachtung des Grafen sein würde. Wie Pech würde sie noch an seinem toten Körper kleben.
    Mehr als das peinigte ihn aber die Erkenntnis, daß niemand erfahren würde, wie schändlich man sie betrogen hatte. Denn selbst dagegen hatte der schreckliche Mensch Vorsorge getroffen. Etliche der Angreifer hatten slawische Worte gerufen, aus denen hervorging, daß sie sich an den ›sächsischen Hunden und der ihnen hörigen Verräterbande‹ zu rächen beabsichtigten. Das war sicherlich für die Mägde bestimmt, die nun bezeugen konnten, daß die Eindringlinge keine Sachsen gewesen waren … Sinnlos, wie sein Leben geworden war, würde auch sein Tod sein, und das war es, was ihn gegenwärtig am meisten schmerzte.
    »He, ihr da drin!« ertönte in diesem Augenblick dicht am Fenster eine jener Stimmen. »Hört zu: Kommt freiwillig raus, dann werdet ihr sterben, ohne etwas davon zu merken. Mit euch ist es aus, und das wißt ihr. Ihr habt es uns schwer genug gemacht, doch wenn ihr euch jetzt ergebt, ist alles vergessen. Zwingt ihr uns aber noch einmal, mit euch zu kämpfen, ziehen wir jedem, den wir lebend kriegen, die Haut vom Leib.«
    »Was sagte er?« fragte ein junger Siusler, dessen eine Gesichtshälfte von getrocknetem Blut überkrustet war. Anscheinend hatte der Hieb, der ihn so zugerichtet hatte, auch sein Gehör beeinträchtigt.
    »Falls wir uns ergeben, verspricht er uns einen raschen Tod, ansonsten droht er uns Martern an«, erläuterte jemand.
    Gehetzt sahen sich die Männer an. Einige ergriffen Weinkrüge und schmetterten sie unter Flüchen gegen die Fensterläden.
    »Wie ihr wollt«, äußerte die Stimme gleichmütig. Schritte entfernten sich.
    Auch der alte Fürst hatte sich nun erhoben und wie alle das Schwert gezogen. Zuvor hatte er sein Messer mit der Schnur, an welcher er sein Amulett trug, am Oberschenkel befestigt. Vielleicht bemerkte man beides in der Dunkelheit nicht und begrub ihn damit … Es war so still, daß man außer den Atemzügen der Männer nur noch das Schnurren dreier Katzen hörte, die von den Speiseresten fraßen. Jemand holte aus, um ihnen einen Tritt zu versetzen, winkte dann aber ab und spuckte lediglich aus. Ein anderer bückte sich nach einem der herumliegenden Becher, füllte ihn und trank ihn leer. Während er sich über den Mund wischte, schluchzte er plötzlich auf, so, als sei ihm bewußt geworden, daß dies der letzte Wein in seinem Leben gewesen war.
    Auf dem Hof wurde es lebendig: Fußgetrappel, Klirren, Räuspern, auch einige Kommandos in slawischer Sprache. Die Männer zuckten zusammen, ihre Körper spannten sich.
    »Fackeln aus!« rief Miloduch. Er riß eine aus der Halterung, konnte sich jedoch ebenso wie seine Gefährten nicht

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