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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Schwarze gegangen war, zäumte Konrad die Stute ab. Er setzte sich auf den Sattel, stützte das Kinn auf die Fäuste und sah ins Dunkel.
    War Mitternacht schon vorüber? Das Stückchen Himmel, in das er blickte, verriet nichts davon. Der Mond war hinter die Wipfel der Bäume gewandert, vereinzelt blinkten Sterne. Ein träges Rauschen lief durch den Wald, hier unten indes war kein Hauch zu spüren. Mit weichem Schwingenschlag überflog eine Eule die Lichtung.
    Er lehnte sich an einen Baumstumpf und schloß die Augen. Als er wieder erwachte, begann der Nachthimmel zu erblassen. Nebelschwaden hingen zwischen den Büschen, von den Ästen tropfte es. Eine Amsel wühlte im vorjährigen Laub, zerrte einen Wurm hervor und verschlang ihn mit ruckenden Kopfbewegungen.
    Frierend erhob sich Konrad. Er wischte sich die Nässe aus dem Gesicht, trat zu der Stute und schnallte den Sattel fest. Während er sie losband, stieß sie ihm mit dem Maul gegen die Schulter, ein Zeichen, daß sie hungrig war. Das Gras, das an dieser Stelle wuchs, schmeckte ihr offenkundig nicht, denn vor ihr lagen etliche abgebissene Halme.
    Als er aufgesessen war, zauderte er einen Moment, lenkte dann aber das Pferd statt zur Straße weiter in die Lichtung hinein. Rasch wurde es heller. Die Nebelschwaden zerrissen. Am Himmel trieben graue Wölkchen dahin, die sich vom Saum her rosa färbten. Zwitschernd schaukelten Meisen an den tropfenbehangenen Zweigen der Sträucher. In die morgendliche Frische, die dem Waldboden entströmte, mischte sich der tröstliche Duft der Fichten.
    Die Schneise endete an einem Weg. Konrad wandte sich nach links, und es dauerte nicht lange, da vernahm er ein Plätschern: der Lärchenbach. Auf der kleinen, erst kürzlich wieder einmal erneuerten Brücke saß eine Elster, der Wind spielte mit ihren Schwanzfedern. Sowie sie ihn bemerkte, flog sie, ohne einen Laut von sich zu geben, zu einem Stein auf der Uferböschung. Konrad saß ab und zerrte das widerstrebende Pferd am Zügel über den federnden Steg. Während er auf das schmale und flach gewordene Flüßchen hinabschaute, spürte er schmerzlich, daß die brüderliche Freude, die er bei seinem Anblick stets empfunden hatte, diesmal ausblieb.
    Ein kleines Stück hinter der Brücke verließ der Weg den Wald, schlängelte sich zwischen Feldern und Weiden hindurch, um schließlich abermals in einen Wald zu münden. Er bestand zumeist aus Eichen. Zahllose Pfade durchzogen ihn, die Spuren der Schweinehirten und ihrer Herden. Da und dort schimmerten die Schnittflächen von Baumstümpfen; hier war das Holz für die Palisade geschlagen worden.
    Nachdem er ungefähr eine Viertelmeile geritten war, stieg ihm auf einmal Brandgeruch in die Nase. Es war nicht der anheimelnde, Geborgenheit verheißende Duft eines lodernden Feuers, sondern der scharfe, düstere Geruch erkalteter Asche, so daß er sich unwillkürlich an jene Wochen erinnert fühlte, die er allein auf dem von den Ungarn zerstörten Fronhof verbracht hatte. Von Erregung gepackt, ließ er sein Pferd in Galopp fallen. Kurz vor dem Waldrand hielt er an und band die Stute an eine junge Kiefer.
    Als er ins Freie trat, stockte er. Linker Hand, zur Hälfte von einer Baumgruppe verdeckt, sah er den von der Morgensonne beleuchteten gräflichen Hof. Die neuerbaute Scheune indes, die sich direkt vor ihm befinden mußte, war verschwunden. Dort, wo sie gestanden hatte, erstreckte sich eine graue, in der Mitte gewölbte Fläche, aus der ein paar schwärzliche Pfosten ragten. Ein knappes Dutzend Gestalten, deren Gesichter verhüllt waren, machten sich auf ihr mit Harken und Schaufeln zu schaffen. Über ihnen erhob sich eine Staubwolke.
    Konrad lief weiter. Trockene Wärme wehte ihm entgegen, unter seinen Füßen knisterte versengtes Gras. Es stank nach Horn und verbranntem Fleisch. Einmal bemerkte er im Schutt einen gekrümmten Gegenstand. Er beugte sich zu ihm herab und erkannte einen menschlichen Körper. Die verschmorten Finger umklammerten den Schaft der Axt.
    Beim Näherkommen sah er, daß die Hände der Vermummten in ledernen Fäustlingen steckten, deren Stulpen bis zu den Achselhöhlen reichten. Mit schwerfälligen Bewegungen bahnten sie sich Gassen durch die heiße Asche, zerrten verkohlte Leiber hervor und schleppten sie, als seien es schlafende Kinder, auf beiden Armen zu einem Haufen. Manche der Toten hatten noch ihre natürliche Größe, die meisten jedoch waren geschrumpft und anscheinend so leicht, daß man sie wohl auch mit einer

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