Brennaburg
seinem Körper. Sich die erstarrten Finger reibend, lief er umher und rief sich dabei das Gespräch ins Gedächtnis zurück. Alles hatte er erwartet, nur nicht einen solchen Verdacht. War der König wirklich so argwöhnisch geworden? Dann mußte es, trotz seines Sieges in Bayern, schlecht um ihn stehen. Und wenn es schlecht um ihn stand, war zu befürchten, daß er diesem Mann, dem er offenbar grenzenlos vertraute, bei dessen Nachforschungen freie Hand ließ. Was das bedeuten konnte, hatte Werner nicht verheimlicht. Im übrigen zeigte schon die Art seines Fragens, daß er weitreichende Befugnisse besaß. – Wiederum, mußte jemand, der so gründlich und scharfsinnig verfuhr wie er, nicht bald erkennen, daß diese Vermutungen abwegig waren? Doch wie, wenn es sich bei ihnen nur um einen Vorwand handelte, um sich seiner, Geros, zu entledigen, weil er in den Augen des Königs versagt hatte?
Bis tief in die Nacht fand er keine Ruhe. Erst gegen Morgen schlief er ein. Er erwachte durch das Dröhnen der Falltür. Ein Blick zur Luke – sie war verschlossen. Also würde das Verhör in diesem Raum stattfinden. Voller Angst und Abscheu lauschte er dem Geräusch der sich nähernden Schritte …
Werner trat ein, zog die Tür heran, legte jedoch die brennende Fackel nicht ab. »Nun?« sagte er, die Augen fest auf Gero gerichtet. Der Graf stand auf, antwortete aber nicht.
»Was hast du mir mitzuteilen?« fuhr Werner fort.
»Nichts, das ich dir nicht schon mitgeteilt hätte«, erwiderte Gero, gegen das Beben seiner Stimme ankämpfend.
»Ist das dein letztes Wort?«
»Ja.«
Werner zuckte kaum merklich die Schultern. »Störrisch bist du, Graf Gero«, sagte er. »Nun, Gott weiß, ich habe das Meine getan; mögen sich jetzt andere mit dir befassen. Vielleicht haben sie mehr Glück.«
Er wandte sich um und ging. Nach einer Weile kam der Wärter und trug den Stuhl hinaus. Noch immer wie betäubt, starrte ihm Gero hinterher.
Es verstrich eine Nacht, in der er, ständig gewärtig, daß man ihn holte, kein Auge zutat. Und auch als es schon lange hell war draußen, verspürte er keine Müdigkeit. Obwohl er weder Hunger noch Durst hatte, entging ihm doch nicht, daß das Essen diesmal ausblieb. Für gewöhnlich war das eine Vorsichtsmaßnahme gegenüber Gefangenen, die man besonders schwer zu foltern gedachte.
Als der Wärter endlich erschien, war es bereits Abend. »Ich soll dich fragen, ob du noch etwas sagen möchtest«, äußerte er, ohne Gero anzusehen. Und da dieser nur stumm den Kopf schüttelte: »Nicht einmal Lebewohl? Wie du willst! Dann folge mir.« Er faßte den Grafen am Ellbogen.
Gero riß sich los. »Bleib mir vom Leib!« stieß er keuchend hervor.
»Was ist mit dir? Die ganze Zeit über warst du friedlich wie ein Lamm, und jetzt, wo wir uns trennen müssen, machst du plötzlich Scherereien? Bist mir schon ein sonderbarer Kauz.«
»Wohin bringst du mich?«
»Nach oben, wohin sonst. Tiefer geht es nämlich nicht. Was zitterst du? So glaube mir doch. Meinst du, wenn man dir an den Kragen wollte, wäre ich allein gekommen?«
Gero setzte sich in Bewegung. Mühsam erklomm er die Leiter, lief einen Gang entlang und fand sich, noch ehe er zur Besinnung gekommen war, in einem offenbar geheizten Raum wieder. In seiner Mitte stand ein hölzerner Zuber, dem Dampfschwaden entstiegen.
»Zieh dich aus«, sagte der Wärter.
Der Graf versteinerte. »Was habt ihr mit mir vor?« flüsterte er, auf das heiße Wasser deutend.
»Was wohl! Stinkt wie ein Wiedehopf und stellt solche Fragen! Willst du etwa so vor den König treten?«
Nachdem Gero gebadet hatte, führte ihn der Wärter ein Stockwerk höher, in eine Kammer direkt unter dem Dach. Im weichen Licht zahlreicher Kerzen gewahrte Gero ein Bett, einen mit Silbergeschirr gedeckten Tisch und zwei irdene Becken mit glühenden Holzkloben.
»Weiß Gott, hier läßt sich's aushalten«, sagte der Wärter. Dann entfernte er sich.
Ein Hüsteln ertönte. Gero fuhr herum und erblickte Werner. Er lehnte neben der Tür, die Arme über der Brust gekreuzt, auf den schmalen Lippen den Anflug eines Lächelns.
»Willkommen, Herr Graf«, sagte er, sich verneigend. »Ich darf dir mitteilen, daß die Untersuchung abgeschlossen ist. Sie ergab, woran nicht zu zweifeln war, deine Unschuld. Erlaube mir, daß ich dich dazu beglückwünsche.«
Er verbeugte sich abermals.
»Das endgültige Urteil zu fällen, obliegt natürlich allein dem König«, sprach er weiter. »Morgen nachmittag wird er
Weitere Kostenlose Bücher