Brennaburg
geschwebt, sondern sogar zu den am besten geschützten Männern Sachsens gezählt hatten. Wo immer sie sich aufgehalten hatten, waren sie von Leuten des Königs und der jeweils zuständigen Grafen umgeben gewesen, die, als Bauern verkleidet, sich unter die Zuschauer gemischt, den Kindern angeschlossen oder nachts das Lager der Fremden bewacht hatten; ausgesuchte Krieger, deren Auftrag es gewesen war, jeden Anschlag unbedingt und notfalls mit Gewalt zu verhindern. Da den Gesandten dies verborgen geblieben war, begriffen sie auch nie, warum man sie zunächst gequält und dann doch nicht umgebracht hatte. Sie behalfen sich deshalb mit der Erklärung, daß die Sachsen eine solche schändliche Tat zwar geplant, deren Folgen aber im letzten Moment gescheut hätten – was in ihren Landsleuten das verständliche Verlangen entfachte, dieses gleichermaßen tückische wie feige Volk möglichst rasch und gründlich zu bestrafen.
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M ITTE F EBRUAR DES folgenden Jahres drängten ungarische Reitermassen über die Saale. Es waren so viele wie niemals zuvor. Nachdem sie die Grenze passiert hatten, lösten sie sich in einzelne Schwärme auf, die in raschem Ansturm den Osten Thüringens überschwemmten, Burgen umritten, unbefestigte Siedlungen hingegen erbarmungslos niederbrannten. Einen knappen Tagesmarsch südwestlich Memlebens vereinigten sie sich wieder, errichteten ein Lager und unternahmen von dort weitere Streifzüge in das Gebiet zwischen Unstrut und Ilm. Während sie Männer nach wie vor töteten, machten sie diesmal im Unterschied zu früher auch Gefangene: Frauen und Kinder, die sie zu Hunderten in ihr Hauptquartier verschleppten. Offenbar fanden sie mittlerweile am Sklavenhandel Gefallen.
Als König Heinrich die ersten Schreckensmeldungen erreichten, befand er sich auf seinem Hof in Tilleda, von welchem aus er die Maßnahmen zur Abwehr der Ungarn leitete. Hier, in der von Harz und Kyffhäuser geschützten Ebene, hatte er eine Streitmacht versammelt, die neben den Panzerreitern und den nordthüringischen Vasallen auch Aufgebote der anderen Stämme umfaßte. Durch Kundschafterberichte auf dem laufenden gehalten, hatte er sich ausrechnen können, daß der Einfall der Nomaden noch vor Beginn der Schneeschmelze zu erwarten sein würde, und deshalb schon vor Wochen die Herzöge um die vereinbarte Unterstützung gebeten.
Die Hilfstruppen waren unterdessen eingetroffen, so daß es ihm immer schwerer fiel, dem Wüten der Eindringlinge tatenlos zuzuschauen. Indes, es mußte sein, denn er beabsichtigte schließlich, sie nicht nur zu vertreiben, sondern vernichtend zu schlagen. Dazu war es notwendig, sie noch tiefer ins Land zu locken, bis zur Werra möglichst, wo ihnen, von Graf Siegfried geführt, Adel und Bauernschaft dieses Raumes entgegentreten sollten. Sobald die beiden Heere aneinandergeraten waren, würden die Geharnischten den Feind von hinten anfallen und zermalmen; den Rest mochten Hunger und Kälte besorgen.
Der Preis, den der König für dieses ehrgeizige Vorhaben gezahlt hatte, war freilich erheblich gewesen. Der Bau der Burgen, der Unterhalt ihrer Besatzungen (von denen sich kaum eine, wie vorgesehen, selbst ernähren konnte), die Herstellung und der Kauf von Kettenpanzern (jeder ein kleines Vermögen wert), die Entlohnung der Spione, die er in Böhmen angeworben hatte (auch die arabischen Fernhändler gaben ihr Wissen nicht umsonst her) – dies alles hatte an den Kräften des Landes gezehrt. Denn der Zins, den die Slawen entrichteten, war nur unbeträchtlich höher als der, den man den Ungarn schuldete.
Um den Abwehrwillen der Bauern zu stärken und den Ruf der Nomaden zu zerstören, daß sie Wesen von nahezu übermenschlicher Tapferkeit seien, hatte er zudem mit dem Leben der Tributeintreiber gespielt, was ihm, falls diesen etwas zugestoßen wäre, sogar die Häupter der christlichen Nachbarreiche schwerlich verziehen hätten; die Person eines Gesandten, auch die eines Barbaren, war nun einmal unantastbar, und wer sich an ihr verging, riskierte seine Glaubwürdigkeit.
Der von den Ungarn verursachte Schaden hätte natürlich viel geringer ausfallen können, wenn, so war es ursprünglich geplant gewesen, die Bewohner der betroffenen Landschaft früh genug gewarnt worden wären. Das hätte, da die Späher die Ankunft der Reiterscharen ziemlich genau vorausgesagt hatten, durchaus in Heinrichs Macht gelegen. Um aber zu vereiteln, daß die Leute ihre gesamten Habseligkeiten vorher in Sicherheit brachten, hatte er
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