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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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mit einer solchen Warnung bis zuletzt gezögert. Denn je überhasteter die Menschen flohen, desto weniger würden sie mitschleppen können. Und Beute würde die Beweglichkeit der Eindringlinge herabsetzen, ihnen beim Entkommen hinderlich sein und damit ihre Bereitschaft vergrößern, sich selbst in einer für sie unvorteilhaften Lage einer Schlacht zu stellen … Leider deutete inzwischen manches darauf hin, daß zahlreiche Bauern auch dann nicht geflüchtet waren, als es längst höchste Zeit gewesen wäre, sondern im Vertrauen auf sein Eingreifen in ihren Dörfern ausgeharrt hatten. Traf dies zu, bestand die Gefahr, daß der Feind das Grenzgebiet auf Jahre hinaus entvölkert hätte.
    Um sich Gewißheit zu verschaffen, hatte Heinrich schon vor Tagen Thankmar, seinen Sohn aus erster Ehe, mit einem Trupp Krieger nach Südosten gesandt, in jene Gegend also, welche die Ungarn so gründlich verheert hatten, daß es für sie dort fast nichts mehr zu holen gab. Die Männer sollten erkunden, wie groß die Verluste tatsächlich waren, und den Leuten in den Burgen Mut zusprechen.
    Als Thankmar zurückkehrte, speisten Heinrich und Otto gerade zu Abend. Den Kopf nach vorn gestreckt, betrat er grußlos das Zimmer, stampfte zum Ofen und massierte sich die Hände. Bald entstiegen seiner Kleidung Dampffäden, die sich im Rhythmus des draußen tobenden Sturmes beugten und wieder aufrichteten.
    Der König betrachtete ihn schweigend, räusperte sich schließlich und fragte: »Nun, wie steht es?«
    Thankmar schnellte herum, als sei ihm ein Peitschenhieb versetzt worden, wodurch sich einige Schneeklümpchen von seinem Pelz lösten und hinter ihm verzischten. Das Eis an Brauen und Wimpern war bereits getaut, sein Gesicht sah daher aus, als weine er.
    »Schlimm steht es«, sagte er rauh. »Diese verfluchten Schweine! Sie haben gehaust wie die Wölfe.« Er riß die Mütze herunter, schleuderte sie zu Boden und verabreichte ihr einen Tritt.
    »Schweine, die sich wie Wölfe aufführen – das ist in der Tat empörend.« Heinrich kniff die Augen zusammen. »Achte übrigens auf deine Haltung, man könnte meinen, du hättest den Tag mit Pflügen verbracht. Und gebärde dich nicht wie ein Besessener.«
    Thankmar richtete sich auf, kam näher und faßte den Vater an den Ellenbogen. »Verzeih«, sagte er. »Aber wenn du gesehen hättest, was ich sah, würdest du mich verstehen.«
    Heinrich schaute so lange auf Thankmars Hand, bis der andere sie wieder zurückzog. »Nimm Platz und berichte«, sagte er. Eigentlich mochte er diesen Sohn, seines kühnen und ungestümen Wesens ebenso wie seines Äußeren wegen. Alles an Thankmar war wohlgestaltet: der schmalhüftige und breitschultrige Körper, der säulenartige Hals, das magere Gesicht mit der kräftigen Nase und dem schön geschwungenen Mund. Stark wie ein Bär war er, gewandt wie ein Marder und draufgängerisch wie ein Sperber, ein Gefolgsherr, wie ihn die alten Lieder besangen. Furcht kannte er nicht, er brannte auf den Kampf und wurde im Gefecht von seinen Leuten gleich einer kostbaren Reliquie verteidigt. Gästen fiel er unweigerlich auf, und wenn sie sich erkundigten, wer er sei, pflegte Heinrich betont beiläufig zu antworten: einer meiner Söhne, ganz so, als habe er unzählige solcher prachtvollen Burschen in die Welt gesetzt. Daß es ihm an Klugheit und Selbstbeherrschung fehlte, tat Heinrichs Vaterstolz im allgemeinen keinen Abbruch. Dies änderte sich, sobald Otto zugegen war. Allzudeutlich wurde klar, wie sehr der Jüngere dem Älteren überlegen war, und obwohl Otto niemals den Anspruch erhob, deswegen bevorzugt behandelt zu werden, verspürte der König dann häufig den seltsamen Drang, ihm zu zeigen, daß er durchaus um Thankmars Mängel wußte.
    Gehorsam hatte sich Thankmar gesetzt, sprang aber nun wieder auf. »Wie dir bekannt ist«, begann er, »haben sie sich zunächst kaum mit Plündern abgegeben, sondern ein Dorf nach dem anderen überrannt. Mittlerweile sind sie zu der Beschäftigung zurückgekehrt, auf die sie sich neben Reiten augenscheinlich am besten verstehen. Was diese Strolche nicht alles klauen! Ich sprach eine Frau, die behauptete, daß sie, bevor sie ihren Hof ansteckten, das Tor ausgehängt und auf einen Wagen gepackt hätten. Die Weiber lassen sie neuerdings meist ungeschoren, selbstverständlich, nachdem sie ihren Spaß mit ihnen hatten. Sie suchen sich die kräftigsten heraus und treiben sie in ihr Lager, die übrigen jagen sie davon. Die Männer allerdings

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