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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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diesem Moment erklang aus dem Zelt nebenan das Glöckchen, das sie zur Messe rief, und mit diesem Geräusch kehrte des Königs Selbstbeherrschung zurück. »Warum hast du das nicht sofort gesagt?« fragte er. »Das hätte uns den unseligen Streit erspart. Zwar zweifle ich nicht, daß Herzog Arnulf mir beipflichten würde, ja, daß mein Plan ebensogut von ihm stammen könnte. Leider ist mein geschätzter Freund nicht hier, und du bist natürlich an das gebunden, was er dir in Unkenntnis der Lage auftrug. Es ehrt dich, daß du seine Anordnungen so hartnäckig verteidigst.«
    Zerstreut setzte er hinzu: »Falls es unter deinen Ungepanzerten zu einer Panik kommt, müßte ich dich freilich dafür bestrafen. Ob das im Sinne deines Herzogs wäre, würdest du dann frühestens im Jenseits erfahren – oder wohin sonst es dich verschlagen sollte.«
    Puchard machte eine Bewegung, die ausdrückte, daß er es ablehnte, eine solche Möglichkeit überhaupt zu erwägen.
    »Und ihr, meine Herren«, wandte sich Heinrich an die anderen Grafen, »welche Bedenken habt ihr vorzubringen? Immer heraus damit! Niemand soll mir nachsagen können, daß ich, nur um eine Schlacht zu gewinnen, meine Verbündeten bevormunde. Also?«
    »Verfüge über uns, wie es dir beliebt, Herr König. Herzog Hermann gebot mir, dir bedingungslos zu gehorchen«, entgegnete der Schwabe rasch. »So lautet auch meine Antwort«, ergänzte, kaum minder eilig, der Franke. Der Lothringer nickte eifrig.
    Als sie das Altarzelt verließen, brach gerade der Morgen an. Thankmar, von der Messe offenbar in keiner Weise geläutert, sah mit scheeler Miene den Grafen nach, die sich zu ihren Leuten begaben. Plötzlich hellten sich seine Züge auf. Am himbeerfarbenen Horizont erschien, einer roten Kappe ähnlich, ein Stück des Sonnenballs, das allerdings gleich darauf wieder von einer Wolkenbank verdeckt wurde. Der Himmel hatte sich bezogen, es schneite; starker Wind peitschte große feuchte Flocken in die Gesichter, jede von ihnen so schwer, daß man ihren Aufschlag durch die Augenlider hindurch fühlte.
    Der König blinzelte zufrieden. Wenn dieses Wetter anhielt, würden die Ungarn noch später bemerken, daß ihnen Geharnischte gegenüberstanden. Für ihn gab es vorläufig nichts mehr zu tun. Die Führer der einzelnen Aufgebote, die Vasallen und Befehlshaber der Burgen, hatten selbständig gehandelt und ihre Männer längst in Bereitschaft versetzt. Die Feuer waren gelöscht, die meisten Zelte verpackt und auf den Wagen. Die Krieger hatten die Rüstungen angelegt und überprüften jetzt die Bauchgurte und Steigbügelriemen ihrer Rösser, die, vom Tosen des Sturmes erregt, unablässig mit den Fesseln klirrten. Jegliche Unterhaltung erstarb. Traf einer der Kundschafter ein, die das feindliche Heer beobachteten, unterbrachen die Leute ihre Beschäftigung und schauten fragend zum König.
    Nach einer Weile hörte das Schneetreiben unvermittelt auf, und sowie die Sicht frei war, konnte man auf einer etwa zwei Pfeilschüsse entfernten Anhöhe eine Gruppe Reiter erkennen. Ihre spitzen Mützen verrieten, daß es Ungarn waren. Reglos, mit ihren Tieren wie verwachsen, standen sie da, auf einmal warfen sie diese blitzschnell herum und verschwanden.
    Bewundernde Rufe wurden laut. »Die verstehen es, mit ihren Gäulen umzugehen … Eine Eule könnte ihren Kopf nicht geschwinder drehen … Du galoppierst so einem Satan hinterher, hast Angst, daß er dir entwischt, und noch ehe du richtig merkst, was los ist, kommt er dir schon entgegen …«
    Heinrich fröstelte, er zog seinen Pelz zusammen. »Ahnst du, wie mir zumute ist?« fragte er Otto.
    »Ja«, antwortete dieser kurz.
    »Wer verstünde dich nicht, Vater«, sagte Thankmar sogleich. »Jahrelang hast du dich für diesen Tag gemüht, und nun ist er da. Gebe Gott, daß er mit deinem Sieg endet.«
    »Gebe es Gott«, murmelte Heinrich und versank wieder in Schweigen. Abermals sprengte ein Späher auf sie zu. Taumelnd stieg er vom Pferd, rieb seine von der Kälte steifen Hände und meldete, daß die Ungarn ihr Lager verlassen hätten. »Herr König«, sprudelte er heraus, »sie sind so zahlreich wie …«; er stockte und starrte, nach einem Vergleich suchend, den König ratlos an.
    »Wie die Schneeflocken, die eben noch auf uns niederfielen«, half ihm Heinrich aus. »Und jene dort«, er zeigte auf die Panzerreiter, die inzwischen durch die Verbündeten verstärkt worden waren, »sind der Wind, der sie vor sich herblasen wird. Ich wette, daß

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