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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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mehr über den König, als dir bewußt ist.«
    »Was willst du denn wissen?«
    »Alles, was geeignet ist, mir sein Wesen zu erhellen. Welches sind seine Tugenden, Leidenschaften und Laster? Wodurch zeichnen sich seine Freunde aus, wodurch seine Gegner? Was sagen die einen über ihn, was die anderen?«
    »Ausgerechnet von mir, den er keiner zwei Dutzend Worte im Jahr würdigt, erhoffst du solche Auskünfte?«
    »Eher als von irgendeinem sonst.«
    »Und wieso?«
    »Weil du ihn haßt.«
    »Selbstverständlich hasse ich ihn. So wie sie alle.«
    »Nicht so, wie du sie alle haßt«, berichtigte ihn der Gesandte trocken. »Ich habe dich beim Krönungsmahl beobachtet: Obwohl du so saßest, daß du ihn gar nicht sehen konntest, brachtest du kaum einen Bissen herunter. Beim Klang seiner Stimme zuckst du zusammen. Nichts, das ihn betrifft, läßt dich gleichgültig. Deshalb bin ich sicher: Wenn es jemanden gibt, der die Wahrheit über diesen Mann kennt, dann bist du es.«
    Der Gefangene schwieg und blickte wie abwesend vor sich hin. »Ich werde dir antworten«, entgegnete er schließlich dumpf. »Aber vorher verrate mir, was im Falle eines Aufstandes mit Milorada und mir geschieht.«
    »Deiner Schwester droht nach unserer Auffassung keine Gefahr. Sie werden es nicht wagen, eine gemütskranke Nonne, die zudem die Mutter eines natürlichen Sohnes des jetzigen Königs ist, als Geisel zu benutzen. Was dich betrifft, so wurde beschlossen, auf deine gewaltsame Befreiung zu verzichten, denn ein solches Unternehmen ließe sich schwerlich geheimhalten. Einige Wochen, bevor wir losschlagen, wird dir bei einem deiner Ausritte ein offenkundig schwachsinniger Bettler in den Weg treten, dich mit ›heiliger und ehrwürdiger Vater‹ ansprechen und deine Hand zu küssen versuchen. Das ist für dich das Zeichen, deine Flucht vorzubereiten. Vergiß nicht, dem Mann folgendes zu erwidern: ›Du verwechselst mich, mein Freund, ich bin nicht der Bischof, sondern nur ein armer Gefangenen.‹ Wenn er uns diese Worte übermittelt, wissen wir, daß er seinen Auftrag ausgeführt hat. Du darfst Halberstadt von da an nicht mehr verlassen; stelle dich krank, falls dein Bischof fordert, daß du ihn auf einer seiner Reisen begleitest. Am Vortag des Aufstandes wird ein dänischer Händler namens Knut bei ihm vorsprechen und ihm lautstark ein wertvolles Pferd zum Kauf anbieten. Gleich, ob das Geschäft zustande kommt oder nicht, wird sich besagter Knut noch bis zum Abend in Halberstadt aufhalten und sich in dieser Zeit so auffällig betragen, daß es niemanden geben dürfte, der seine Anwesenheit nicht bemerkt. Noch in derselben Nacht mußt du fliehen. Mögen dir die Götter gnädig sein, sollte deine Flucht mißglücken; denn lediglich von ihnen hättest du dann Hilfe zu erwarten. Hast du alles verstanden?«
    »Ja. Wie hätte ich eigentlich von alldem erfahren, wenn es dir nicht gelungen wäre, mich allein zu sprechen?«
    »Was ist, traust du uns nicht mehr? Du hättest es erfahren! Und nun rede endlich! Stelle dir vor, ich wäre dem König noch niemals begegnet und stünde vor wichtigen Verhandlungen mit ihm, bei denen sich der kleinste Fehler verhängnisvoll auswirken könnte.«
    »Ich will es probieren«, sagte der Gefangene. Er kniff die Augen zusammen. »Du hast recht«, sprach er nach einer Weile lebhaft weiter, »er ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil seines Vaters. Der Alte war im Grunde seines Herzens ein Heide, er strengte sich nicht einmal sonderlich an, das zu verbergen. Ich hatte oft Mühe, mir das Lachen zu verbeißen, wenn ich sah, wie er zu den Belehrungen des Bischofs die Augen verdrehte oder den Umstehenden heimlich zuzwinkerte; einige Male sogar mir. Der Sohn würde so etwas niemals tun, wie er überhaupt jeden Priester mit größter Ehrerbietung behandelt. Denn er ist in einem ganz ungewöhnlichen Maße das, was man hierzulande fromm nennt.«
    Er leckte sich die Lippen und fuhr fort: »Für den Alten gab es gewiß keine Schurkerei, die er nicht begangen hätte. Und trotzdem, so seltsam dies sicherlich aus meinem Mund klingt, mochte ich ihn ein bißchen. Oder sagen wir lieber: Ich verabscheute ihn weniger, als ich ihn hätte verabscheuen sollen. Er war nämlich völlig frei von Hochmut, hielt sich nicht für besser, als er war, und verlangte auch von seiner Umgebung nicht, daß sie ihn anders sah. Mitunter zog er ein Gesicht, als wollte er sagen: Schufte sind wir alle, machen wir uns darum das Leben nicht unnötig schwer! Vom Sohn

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