Brennaburg
recht.«
Der Bischof runzelte die Stirn. »Allzu geschwind, mein Freund, bekennst du dich zu deinen Verfehlungen«, erwiderte er. »Wann wirst du endlich begreifen, daß der Gegensatz von Verstocktheit nicht jene Geschmeidigkeit ist, deren, in der Absicht, mich zu täuschen, du dich befleißigst? Oft genug erklärte ich dir, daß es mit Stöhnen und Grimassenschneiden allein nicht getan ist, weil nämlich die Sprache wirklicher Reue … Hörst du mir eigentlich zu?« unterbrach er sich.
»Ja, Herr Bischof«, sagte der junge Mann, blickte dabei jedoch wie gebannt an ihm vorbei.
»Soso. Was gibt es denn, das dich mehr fesselt als die Belehrungen deines Bischofs?«
Statt einer Antwort zeigte der andere in Richtung Sumpf, wo Herzog Giselbert bis zu den Knien im Morast stand. Sein Falke hatte über der Lichtung eine Schnepfe geschlagen, die bereits in der Luft verendet und wie ein Stein zwischen die Pferde gefallen war. Ohne zu zögern, war ihr der Falke hinterhergestürmt und nicht wieder aufgetaucht. Es war ungewiß, ob er noch lebte oder von den scheuenden Rössern zertrampelt worden war. Giselbert, der im ersten Schreck abgesessen war, eilte nun, von Bülte zu Bülte springend, auf die Pferde zu.
»Wir sprechen uns noch, mein Freund, verlaß dich drauf«, murmelte der Bischof. Er berührte den Gefangenen am Ellbogen und lief zurück zu den Seinen.
Diese waren deutlich in zwei Gruppen geschieden. Die größere verteilte sich nahezu über die gesamte Lichtung und umfaßte außer den Gesandten die meisten Vasallen des Königs. Doch nicht sie war es, die der Bischof ansteuerte, sondern ein Häuflein von knapp zwanzig Männern, welche, die Arme über der Brust gekreuzt, im Schatten einer Buche standen. Sie waren durchweg hochgewachsen und von kräftiger Gestalt, trugen überdies auffallend viel Goldschmuck, so daß der untersetzte Bischof in seinem schlichten Reisegewand neben ihnen wie ein Ganter zwischen Adlern wirkte. Im Gegensatz zu den anderen schenkten sie der Jagd keine Beachtung, ja, sie hoben nicht einmal die Köpfe, wenn Beifall laut wurde.
Sooft der Gefangene zu ihnen blickte, stockte ihm der Atem; denn Graf Siegfried hinzugerechnet (der den König während dessen Abwesenheit in der Heimat vertrat und dabei, wie gemunkelt wurde, auch ein Auge auf dessen ungebärdigen Bruder Heinrich haben sollte), verkörperten die dort Versammelten gleichsam die Blüte des sächsischen Adels. Sie, hieß es, waren diejenigen, mit denen sich der verstorbene König in allen weltlichen Angelegenheiten von Belang zuerst beraten, ohne deren Einverständnis er keinen Krieg angefangen und keinen Vertrag geschlossen hatte. Und jetzt standen diese Wichmanns, Brunings, Erwins, Ekkards, Thankmars, Heribalds und wie sie sich noch nannten, die reichsten und mächtigsten Männer Sachsens also, am Rande einer sumpfigen Waldwiese beisammen, ungepanzert und lediglich von drei Dutzend Leibwächtern beschützt, die zudem gerade abgelenkt waren, weil sie sich an der Suche nach dem vermißten Falken beteiligten. Irgendwo im Gesträuch der König, allein, bis zu den Knien im Wasser stehend.
Hinter ihm knackte es, Schritte näherten sich. Ah, seine Aufpasser! Für gewöhnlich brachten sie sich nicht so plump in Erinnerung, wie sie überhaupt, seitdem er Christ geworden war, die Leine ein bißchen lockerer ließen. Hier jedoch, Hunderte Meilen von ihrer Heimat entfernt, fühlten sich die Wachen wohl unsicher.
»Ich bin es«, flüsterte jemand in seiner Muttersprache. »Bleib, wo du bist, und sieh nicht zu mir!«
Verdutzt wollte er sich umdrehen, da erkannte er die Stimme: Sie gehörte Ratibor, dem Gesandten seines Volkes, einem Mann, kaum älter als er. Dem Gefangenen wurde der Mund trocken. Zwar durfte ihn der Gesandte mehrmals im Jahr besuchen und sich ausführlich mit ihm unterhalten; zugegen waren dabei aber stets ein Dolmetscher sowie ein königlicher Kanzlist, der unverzüglich eingriff, sobald er, Tugumir, von Dingen sprach, die nicht unmittelbar sein Wohlergehen betrafen. Diese Maßnahme ging wohl noch auf jene Jahre zurück, in denen sich die Sachsen auf den Entscheidungskampf gegen die Ungarn vorbereitet und in beinahe jedem Slawen jemanden erblickt hatten, der im Auftrag der Nomaden die Standorte der neuerbauten Burgen ausspähen sollte. Einem Befehl König Heinrichs zufolge durften Gesandte und fremde Kaufleute bestimmte Gegenden und Straßen nicht mehr betreten, und jeder Untertan von Grafen bis zum Unfreien war gehalten,
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